2. Der "Selbstausbeuter" - Leistung ist nicht erfüllbar - unterbelohnt -
Im "Frühstadium" sind Selbstausbeuter häufig fleißig, oft "bis zum Umfallen". Sie gönnen sich jedoch keine ausreichende Erholung, und erst recht keine Belohnungen. Selbstausbeuter sind fast immer Perfektionisten. Sie erlauben sich nicht, Abstand von einer Handlung zu nehmen (Pause, Feierabend), solange diese nicht perfekt gelöst ist. Selbstausbeuter im "Arbeitswahn" ignorieren ihre Bedürfnisse, weil sie unbedingt ausnutzen wollen, dass sie endlich einmal geschafft haben, diese Handlung aufzunehmen. Diese wollen sie dann auch in einem "Gewaltakt" oder "im Hauruck-Verfahren" - was sie oft selbst als solches bezeichnen - um jeden Preis zuende bringen. Sie verbieten sich dann zum Beispiel, Pausen zu machen, oder aufzuhören, obwohl sie Schmerzen haben oder müde sind, da sie der Überzeugung sind, dass es sonst wieder ewig dauern wird, bis sie sich dazu überwinden konnten, die Handlung erneut aufzunehmen - und damit haben sie Recht. Dadurch, dass sie im Anschluss an die Handlung immer vollkommen erschöpft oder sogar schmerzerfüllt sind, werden sie tatsächlich beim nächsten Mal von einem noch größeren Widerwillen erfüllt, diese Art von Handlungen aufzunehmen.
Im "Zwischenstadium" fällt es den Betroffenen dann immer schwerer, Handlungen aufzunehmen. Ihre Aktivitäten verschieben sich auf immer ungewöhnlichere Zeiten. Das heißt übrigens nicht nur, dass sie erst mittags anfangen und dafür bis in die Nacht arbeiten. Es kann auch in frühen Stadien bedeuten, dass sie extrem früh aufstehen, und trotzdem sehr lange arbeiten, um ihr selbstauferlegtes Pensum zu schaffen.
Die Phasen heftiger Aktivität werden in frühen Stadien nur sehr selten (zu selten) mit ausreichenden Erholungsphasen kompensiert. Im Lauf der Zeit (Jahre, Jahrzehnte) werden die "Totalausfall-Tage" häufiger, und schließlich kippt das Verhältnis von "Selbstausbeuter-Tagen" zu "Totalverweigerungstagen" zugunsten der letzteren, und "Selbstausbeuter-Tage" finden nur noch statt, wenn extreme negative Antriebsfaktoren den Betroffenen dazu zwingen.
Der Selbstausbeuter im Endstadium kann daher leicht mit dem Gammler (Typ 3) verwechselt werden. Gammler sagen aber Dinge wie: "Ich war als Kind schon unordentlich", und halten das für einen unveränderlichen Charakterzug. Selbstausbeuter kennen lange Phasen, in denen sie "im Hamsterrad" gelaufen sind, oder sie berichten von Burnout oder burnoutähnlichen Lebenserfahrungen.
Manche Betroffene verwechseln dieses Auf und Ab zwischen totalem Nichtstun und Hauruck-Aktionen im Zwischenstadium sogar mit einer bipolaren Störung (ehem. "manisch-depressiv") - in Einzelfällen werden diese sogar also solche diagnostiziert und behandelt - aber "die Medikamente nutzen kaum was, oder man fühlt sich mit deren Einnahme noch schlechter" ist ein Hinweis darauf, dass die Diagnose möglicherweise nicht zutrifft.
Dabei werden die "Manien" (Selbstausbeuter-Tage) nur von aufsummierten negativen Verstärkern ausgelöst, die (mal wieder) unerträglich geworden sind. Also wenn die Medikamente, die man euch verschrieben hat, scheinbar keine Wirkung haben, oder euren Gesundheitszustand eher verschlechtern: Arzt aufsuchen, Verdacht äußern, abgleichen lassen!
Typischer Satz: "Unter Druck habe ich schon immer am besten funktioniert!" "Ich weiß, ich müsste nur mal 3-4 Tage so richtig ranklotzen, dann wär das Schlimmste geschafft, aber..." "Pause? Wenn ich mal fertig bin, kann ich mich ausruhen. Vorher nicht." "Belohnung? Erholung? Feierabend? Wofür denn bitteschön? Für sowas hab ich keine Zeit!" "Immer wenn ich mal ein paar Tage frei habe, werde ich krank."
Wichtigste Selbsthilfe-Maßnahme: Strenge, zeitliche Begrenzung der Arbeitseinheiten durchsetzen. Das Wichtigste für die Handlungsaufnahme ist, sicher zu wissen, dass - und WANN - sie enden wird. Die zeitliche Begrenzung ist als Schutzmechanismus vor Selbstausbeutung zu verstehen, und nicht als Wettkampf-Bestmarke, die es zu erreichen oder gar zu unterbieten gilt. Wenn etwas bis zu der jeweiligen Uhrzeit nicht fertig wurde, dann ist das eben so. Es wäre nur durch ein Wunder zu schaffen gewesen, und Wunder werden auf unserer Homepage nicht angeboten. Mach trotzdem Pause - oder Feierabend - und erledige den Rest in einer (oder nötigenfalls auch mehreren) weiteren, ordentlich geplanten/vereinbarten/belohnten Arbeitsphase(n). Der Leistungsumfang sollte am Anfang auf wenige Minuten beschränkt sein, und darf nicht überzogen werden, auch wenn dann kein Abschluss erreicht werden kann. Dann folgt trotzdem eine (Selbst-)Belohnung, nicht ergebnis- sondern arbeitszeit-orientiert. Also allein schon dafür, dass man etwas getan hat, und nicht erst, wenn es fertig/perfekt geworden ist.
Für Perfektionisten haben wir auch in unserem Alternative-Vorgehensweisen-Subforum einen Text, der sich mit Perfektionismus befasst, und wie man versuchen kann, diesen besser in den Griff zu bekommen.
Man muss ausprobieren. Vom nachdenken, lesen und schreiben alleine passiert nichts.