3. Der "Gammler" - Belohnung ist ohne jede Leistung jederzeit verfügbar - überbelohnt -
Die Person nimmt sich positive Verstärker/Belohnungen, ohne diese an vorher zu erfüllende Bedingungen (Leistungen) zu knüpfen. Solche Betroffenen liegen morgens oft sehr lange im Bett, gehen aber dafür abends auch erst sehr spät schlafen, und betreiben einen (teilweise) exzessiv zu nennenden Lebensstil: sitzen zu viel am PC, hängen nur am Smartphone, gehen ständig aus, kaufen, trinken, oder essen, statt sich um ihre dringenden Angelegenheiten zu kümmern. Mit Gammeln ist also nicht gemeint, den ganzen Tag nur zu schlafen, sondern sich nahezu ausschließlich mit den angenehmen Seiten des Lebens zu beschäftigen. Gammler tun nur das, was sie gern tun. Sie sind nicht zu erschöpft, um etwas anderes zu tun. Ihre bevorzugten Beschäftigungen können sogar manchmal extrem anstrengend sein, oder höchste Konzentration erfordern. Erschöpfung oder Konzentrationsprobleme sind dabei aber "komischerweise" nie ein Problem. Sie werden nur bei Dingen zum Problem, die der Gammler nicht gerne tut. "Zu müde, um den Tisch abzuräumen, aber fit genug, um noch neun Stunden World of Warcraft zu zocken..." Viele Gammler haben oft einen massiv von der Norm abweichenden Tag-Nacht-Rhythmus. Durch den fühlen sie sich allerdings nicht unbedingt gestört. Manche Gammler klagen desweiteren über Grübelzwänge, wenn sie sich nicht ablenken können (vor allem beim Einschlafen).
Gammler haben durch den Dauerkonsum ihrer bevorzugten Belohnungen massive Probleme damit, noch ausreichend große Belohnungen zu finden, um sich für unangenehme Aufgaben rechtzeitig in Bewegung zu setzen, da es sich bei dem, was dafür nötig wäre, um "gigantische Super-Belohnungen" handeln müsste, die natürlich nicht verfügbar sind.
Viele Gammler wissen, dass das, was sie gerade tun, wenn sie gammeln, falsch ist. Aber sie blenden das Unwohlsein, das sie während ihrer Lieblingsaktivitäten empfinden, gekonnt aus (dafür bricht es dann mit voller Wucht über manche herein, wenn sie keine Ablenkung mehr haben, wie zumeist nachts im Bett). Die Verschiebung des Schlafrhythmus rührt daher häufig von dem Unwillen, ins Bett zu gehen, weil dann die Grübeleien wiederkommen. Ein solcher Gammler wartet also, bis er so richtig hundemüde ist - und das ist immer später der Fall. Diese Verschiebung führt auch zu Verschiebungen bei der Hormonproduktion. Wer tagsüber schläft, und nachts wach ist, bildet Melatonin zur falschen Tageszeit, und nimmt nicht genug Vitamin-D auf. Beides führt zu Müdigkeits-, Erschöpfungs- und depressionsähnlichen Zuständen.
Wenn der Betroffene unterbewusst weiß, dass es eigentlich nicht ok ist, und er jetzt eigentlich dringend etwas anderes tun müsste, erholt er sich während seiner Gammelei nicht ausreichend. Er steht ohne es zu merken ständig unter Strom, ist innerlich angespannt, und er legt immer länger werdende To-Do-Listen an, die allein durch ihren riesigen Umfang schon abschreckend und demotivierend erscheinen. Dadurch entsteht ein Problem bei der Energie-Rückgewinnung. Sie ist während der Freizeit- und Erholungsphasen nur minimal, was dazu führt, dass diese Phasen auch immer länger sein müssen, um sich überhaupt noch erholt fühlen zu können. Der Betroffene schläft also extrem viel, muss sich auch tagsüber immer wieder hinlegen, und fühlt sich trotzdem ständig müde. Es liegt auf der Hand, dass diese Symptome mit CFS, dem chronischen Erschöpfungssyndrom, verwechselt werden können. Für Gammler mit stark verschobenem Tag-und-Nacht-Rhythmus ist es ganz besonders wichtig, wieder in die Normalität zurückzukehren, um ihre Hormonproduktion zu stabilisieren. Allein dadurch verbessert sich der Antrieb schon erheblich, weil man sich fitter und weniger ausgelaugt fühlt.
Das zweite, was Gammler tun sollten, ist sich von den endlosen To-Do-Listen zu verabschieden, und stattdessen Babyschritte zu unternehmen. Eine erste Tagesplanung könnte zum Beispiel so aussehen: "Zu einer halbwegs normalen Uhrzeit aufstehen, mein Bett machen, lüften, duschen, Zähne putzen und ordentliche Klamotten anziehen. Und erst dann seh ich weiter." Wenn das geschafft ist, erlangen die meisten ein starkes Gefühl von Kontrolle, und davon, zum ersten Mal seit langem wieder "richtig was vom Tag zu haben". Und das eben auch nutzen zu wollen.
Gammler sind oft ehemals oder gleichzeitig Träumer, Selbstausbeuter, Miesmacher oder Drückeberger. Aber sie werden hier abgegrenzt aufgelistet, weil es auch "reine" Gammler gibt, die praktisch schon seit ihrer Kindheit nur gammeln. Sie mussten überhaupt noch nie irgendwelche Leistungen erfüllen, oder speziell im derzeitigen Problem-Teilgebiet Haushalt nie mit anpacken - zumeist, weil eine überfürsorgliche (oder perfektionistische) Mutter ihnen das immer abgenommen hat. Bei anderen rührt das Problem daher, dass sie schon in Haushalten aufwuchsen, in denen nie wirklich auf Ordnung und Sauberkeit wert gelegt wurde, oder sie leben aktuell in Beziehungen mit Menschen, die auch nur sehr wenig, oder gar nichts leisten - oder ihnen eben alles abnehmen. Gerade letzteres ist tückisch, weil man sich damit lange Zeit sehr wohlfühlen kann. Ist ja auch schön, umsorgt zu werden, bekocht zu werden, sich um nichts kümmern zu müssen. Aber leider ist man dann aufgeschmissen, wenn derjenige, der sich bisher um alles gekümmert hat, plötzlich nicht mehr will, oder nicht mehr kann.. Typischer Satz: "Letzte Nacht konnte ich nicht schlafen, weil ich mir selbst Vorwürfe gemacht habe, dass ich es wieder nicht auf die Reihe bekommen habe, endlich mal anzufangen! Und am Morgen war ich dann so fertig, dass ich erst mal vier Stunden vor dem PC verbringen musste, bevor ich mich aufraffen konnte, mir wenigstens eine Kleinigkeit zu essen zu machen." Oder: "Ich weiß nicht, womit ich mich belohnen soll, die meisten Sachen sind doch alle einfach so für mich da, und das was mich reizen würde, kann ich mir nicht leisten" "Ich war als Kind schon so."
Wichtigste Selbsthilfemaßnahmen:
1. Tag-Nacht-Rhythmus normalisieren 2. Lange To-Do-Listen vergessen und nur noch Babyschritte planen, von der einen auf die nächste Minute 3. Motiviere dich entweder zuerst aus deiner angenehmen Position heraus in eine neutrale motivatorische Position, also beende deine bevorzugte Tätigkeit, ohne schon zu vereinbaren, etwas Unangenehmes zu tun, oder passe einen Moment ab, in dem du dich aus der Notwendigkeit heraus aus deiner angenehmen Position bewegst.
Du könntest mit dir vereinbaren, aufzustehen und erst mal lecker zu frühstücken, oder deinen PC zu verlassen, um dir einen Kaffee zu kochen, oder von der Couch aufzustehen, um ein bisschen an die frische Luft zu gehen. Du könntest aber auch warten, bis du Hunger oder Durst hast, oder auf die Toilette musst. Sobald du dich aus der motivatorisch ungünstigen Position heraus bewegt hast, kannst du eine sehr kleine Handlung mit dir vereinbaren. Zum Beispiel, drei Teile Geschirr zu spülen, oder auf dem Weg zur Toilette etwas Müll aufzuheben und wegzuwerfen. Die Handlungsaufnahme wird dir in diesem Moment sehr viel leichter fallen. Außerdem: Aufgaben verkleinern, verkleinern, verkleinern - und das, was du gerne tust, sofort im Anschluss an die vollbrachte kleine Aufgabe tun. Vertraue darauf, dass du eine Veränderung wahrnehmen kannst, wie es ist, wenn sich das nach erreichter Belohnung anfühlt, anstatt nur nach Gammeln (also dasselbe Erlebnis mit oder ohne Dopaminausschüttung).
Gammeln ist oftmals eine problematische, da im Übermaß genossene Belohnung, die schrittweise ersetzt werden kann: Zum Beispiel am Anfang noch gar nicht mal eine Hausarbeitsaufgabe als Leistung vereinbaren, sondern erst einmal eine anständige Mahlzeit, duschen, einen kurzen Gang an die frische Luft oder Ähnliches. Wenn man das getan hat, kann man sich wieder mit der Rückkehr zu seiner Lieblingsbeschäftigung belohnen.
- motivatorisch neutrale Position abpassen oder forcieren - temporäre Abstinenz von der Lieblingsbeschäftigung - Basisversorgung als Leistung definieren und belohnen
Angehörige/Außenstehende sollten bei Gammlern das geringste Anzeichen von Eigeninitiative positiv verstärken.
Nutzen diese Selbsthilfemaßnahmen nichts, empfiehlt sich z.B. ein professionelles Selbstmanagement-Coaching.
Gerade beim Gammler muss gesagt werden, dass der Wille entscheidet. Der Gammler muss einen eigenen Willen oder Wunsch entwickelt haben, es nicht mehr weiter so handhaben zu wollen. Ansonsten können nur die Personen Einfluss ausüben, die dem Gammler das Gammeln durch ihr eigenes Verhalten erst ermöglichen. Wenn du wegen eines Gammlers hier bist, den du gerne motivieren möchtest, mehr Handlungen aufzunehmen, solltest du dich im Angehörigenbereich zu Wort melden. Wir haben einige Texte dafür auf Lager, wie man es anderen leichter machen kann, Handlungen aufzunehmen. Außerdem ist für jeden Angehörigen der Selbsthilfeguide interessant. Hier erfahrt ihr, wie Motivation erzeugt wird, wie sie nicht erzeugt wird, und welches typische/normale Verhalten von Angehörigen die Situation langfristig gesehen immer schlimmer macht. Ihr erreicht also schon viel, indem ihr diese Dinge unterlasst, und wenn ihr euch dann noch ein paar Tricks und Kniffe abschaut, werdet ihr sicher schon bald erreichen, dass der Betroffene eine Handlung aufnimmt, die ihr dann wiederum positiv verstärken könnt.
Man muss ausprobieren. Vom nachdenken, lesen und schreiben alleine passiert nichts.