Du hast es geschafft, aufzustehen und deinen Tag zu beginnen.
Vielleicht fühlst du dich enthusiastisch, dass heute endlich mal etwas vorankommt, und sagst dir: "Das muss ich ausnutzen. Am besten, ich knöpfe mir heute mal die Küche gründlich vor."
NEIIIIIIIIIIIN!
Das wäre ein schwerer Fehler.
Mittlerweile ist wissenschaftlich erwiesen, dass die meisten Menschen eine Aufmerksamkeitsspanne von höchstens zehn Minuten haben. Auch wenn sie nicht unter ADS oder AD(h)S leiden. Das war auch für mich eine Überraschung. Es ist erstaunlich wenig. Tatsächlich ist damit nicht gemeint, wie lange sie am Stück konzentriert arbeiten können, denn das können sie länger. Aber nach zehn Minuten lässt die Konzentration bereits nach. Wir arbeiten nicht mehr mit voller Leistung. Zehn Minuten Konzentration und Anspannung am Stück sollten daher für den Anfang das Maximum an Arbeitsdauer sein, das du festlegst. Wenn du merkst, dass dir zehn Minuten noch zu viel sind, dann fang eben mit fünf Minuten an, oder mit zwei.
Wenn du zehn Minuten mit voller Konzentration arbeiten kannst, dann fünf Minuten Pause machst, und dann wieder zehn Minuten mit voller Konzentration arbeiten kannst, bist du produktiver, als wenn du 30 Minuten am Stück arbeitest. Dann hast du zwar zehn Minuten mehr gearbeitet, aber nach den zehn Minuten sank deine Leistungsfähigkeit auf die Hälfte, und nach weiteren zehn Minuten auf ein Viertel.
Betrachten wir deine Produktivität als erreichbare Punkte, dann hättest du somit in 30 Minuten ohne Pause 100+50+25 = 175 Produktivitätspunkte erreicht, aber in 20 Minuten MIT Pause 200 Produktivitätspunkte.
Noch deutlicher wird es in den nächsten zehn Minuten: 100+50+25+12,5 = das sind 187,5 "Produktivitätspunkte" in vierzig Minuten ohne Pause - mit stetig abnehmender Konzentration - also auch wachsender Genervtheit, Gereiztheit, Stress. Mit Pausen: 10 Minuten arbeiten = 100 Punkte. 5 Minuten Pause. 10 Minuten arbeiten = 100 Punkte. 5 Minuten Pause. 10 Minuten arbeiten = 100 Punkte Sind zusammen auch 40 Minuten, mit zwei Pausen, also "Nettoarbeitszeit" 30 Minuten. Und volle 300 "Produktivitätspunkte". Das ist fast die doppelte Leistung, mit 25% weniger Arbeit!
Ich hoffe, dir wird dadurch deutlich, dass es alles andere als eine Schande ist, sehr kleine "Arbeitseinheiten" mit sich zu vereinbaren. Deine Produktivität wird dadurch verbessert. Du erreichst mehr, nicht trotz Pausen, sondern gerade weil du Pausen machst. Wissenschaftlich erwiesen.
Plane also für den Anfang maximal in 10-Minuten-Blöcken, und dann mach mindestens (!) fünf Minuten Pause. Wenn dir fünf Minuten zu wenig erscheinen, mach zehn, fünfzehn oder auch eine Stunde Pause. Nur, was immer du mit dir vereinbarst - halte dich daran. Sowohl, was die Arbeitsdauer betrifft (10 Minuten, und nicht 15), als auch was die Pausendauer betrifft (z.B. 30 Minuten, und nicht 38).
Was kannst du in zehn Minuten abschließen? z.B.
Jacken aufhängen Das schmutzige Geschirr in die Küche tragen Die CDs in ihre Hüllen
Was gibts dafür? Lege es VORHER fest.
Eine Viertelstunde Pause, da setz ich mich auf den Balkon und trinke eine Tasse Cappucchino.
Dann tun, wie vereinbart, und SOFORT belohnen. Kurz vor Ende der Balkonpause wieder von vorne überlegen: Will ich noch mal 10 Minuten, oder kann ich nicht mehr? Wenn ja: Was kann ich in 10 Minuten erledigen, und was bekomme ich dafür, wenn ich das jetzt mache?
Papiermüll einsammeln. Und zur Belohnung eine Folge meiner Serie gucken. Jepp, die dauert länger als ein paar Minuten. Egal. Wenn sie ausreicht, um dich zu motivieren, den Papiermüll einzusammeln, dann passt doch alles.
Serie ist um. Will ich noch mal 10 Minuten? Wenn ja: Was kann ich in 10 Minuten schaffen?
Das Leergut einsammeln und an die Tür stellen. Und zur Belohnung löse ich ein Kreuzworträtsel und esse einen Müsliriegel.
Das machst du solange weiter, bis du entweder merkst, dass du dich nicht mehr dazu aufraffen willst, weitere zehn Minuten zu handeln (Leistungslimit erreicht), oder längstens, bis der Feierabend erreicht ist (Selbstausbeutung verhindert). Noch mal in aller Deutlichkeit: Du musst NICHT unbedingt bis 18:00 durchhalten, wenn du schon vorher einen Punkt erreichst, an dem du nicht mehr kannst. Du sollst nur SPÄTESTENS um 18:00 aufhören. Wenn du um 10:00 nicht mehr kannst, dann ist das eben so. Mach dir nichts draus. Wie in den vorherigen Kapiteln schon festgestellt wurde, machst du so oder so nicht mehr, als du zu leisten bereit bist. Das einzige, was wir am Anfang verändern, ist die Reihenfolge: Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen - mit dem Ziel, dass du das Vergnügen dann anders wahrnehmen, und dich besser dabei erholen kannst. Denn es geht wie gesagt nicht um heute, sondern um morgen. Es geht auch nicht darum, möglichst viel auf einmal zu schaffen, sondern zu lernen, wie man nicht mehr gewohnheitsmäßig aufschiebt, sondern die Dinge rechtzeitig und in Ruhe erledigt.
Das Schöne an der Technik ist, dass jede dieser 10-Minuten-Arbeiten sofort einen Wert erhält. Falls du am Schluss in dein altes Muster zurückfallen solltest, mit dir unzufrieden zu sein, weil du nicht so viel geschafft hast, wie du gehofft hattest, entwertest du dir damit diese Leistungen nicht mehr, denn der "Wert" wurde bereits "ausgezahlt". So kannst du auch nicht mehr "versagen", weil du dich verschätzt oder übernommen hast. Egal, ob es im Lauf des Tages zweimal geklappt hat, oder achtzehnmal, es war ja nie eine lange To-Do-Liste, sondern immer nur kurze, definitiv schaffbare Aufgaben, und der nächste Schritt besteht immer darin, sich zu fragen: "Schaffe ich nochmal zehn Minuten? - Ja, also auf geht's/Nein, denn ich kann nicht mehr/ Nein, denn gleich ist Feierabend."