In "Wiederkehrende Handlungen - Kosten/Nutzen-Rechnung" ist ein Beispiel aufgeführt, das zeigt, wie wir unsere Entscheidungen vom Energieaufwand abhängig machen. Das geht superschnell und unbewusst. Aber wenn man es weiß, dann kann man lernen, diese Prozesse bewusster ablaufen zu lassen. Sie sichtbar zu machen. Man kann sich selbst beobachten, und plötzlich hört man die kleinen, blitzschnellen geheimen Gedanken, die unsere unwichtigen Entscheidungen basierend auf Energiekosten befürworten oder ablehnen, sehr deutlich. Wenn man sich dabei "erwischt", wie man etwas nicht tut, das man eigentlich tun müsste, dann kann man diesen Gedanken zuhören, und sie ernstnehmen, und Maßnahmen ergreifen, um die zu hohen Energiekosten zu reduzieren.
Die Position, die wir innehaben, während wir eine Verhandlung mit uns selbst führen, ist von entscheidender Bedeutung. Stell dir vor, du liegst gerade gemütlich auf der Couch, und schaust einen superspannenden Film. Du hast alles in Reichweite, was du brauchst, um das Genusserlebnis zu steigern. Dein Wolldeckchen, dein Lieblingsgetränk, deinen Lieblingssnack. Und jetzt versuch mal, dich aus dieser Position heraus zu überreden, den Keller zu entrümpeln. Und zwar noch bevor der Film zuende ist.
Unmöglich.
Es sei denn, jemand gibt dir zehn Millionen Euro...dann wärst du wohl ziemlich schnell bereit, das alles sausen zu lassen, stimmt's?
Die Situation, die ich beschrieben habe, ist aus motivatorischer Sicht ungünstig. Du brauchst nicht nur einen Verstärker, der dich antreibt, deinen Keller zu entrümpeln, sondern du brauchst auch einen, der dich antreibt, diese tolle Situation zu verlassen.
Wenn das einzige, was einen dazu bringen würde, sowohl die motivatorisch ungünstige Situation zu verlassen, als auch die unangenehme Handlung aufzunehmen, ein unerreichbar großer Antriebsverstärker (wie etwa 10 Mio Euro) wäre, dann sollte man nicht über beides gleichzeitig verhandeln, sondern einen Zwischenschritt einbauen:
Couch -> "ich koch mir Kaffee" ->Ich stehe in der Küche. "Wenn du jetzt den Keller entrümpelst, bekommst du dafür TheWitcher 3" -> Handlungsaufnahme oder Couch -> "ich muss aufs Klo" -> Ich stehe im Bad. "Wenn du jetzt den Keller entrümpelst, bekommst du dafür TheWitcher3" -> Handlungsaufnahme
Es genügt also zum Beispiel, sich im ersten Schritt zum Aufstehen zu motivieren. Sobald man aufgestanden ist, fällt es einem leichter, den nächsten Schritt zu vereinbaren, weil man sich in einer motivatorisch günstigeren Position befindet als vorher.
Doch es steckt noch mehr dahinter, das einem - wenn man es erst mal weiß - dabei hilft, voranzukommen:
Irgendwann kommt der Moment, in dem man bereits zu viel Zeit/zu viel Energie investiert hat, um abbrechen zu wollen. Genau wie bei unserem Beispiel mit dem Getränk, das man aus dem Keller holt - oder eben nicht holt. Irgendwann kommt der Punkt, an dem wir entscheiden: "Jetzt ziehe ich es durch!" Und es ist wichtig zu wissen, dass dieser Punkt schon viel eher kommt, als erst ganz kurz vor dem Ende. Es genügt also völlig, immer nur ein kleines bisschen Motivation für den jeweils nächsten Teilabschnitt zusammenzukratzen, denn irgendwann schlägt die Situation um. Diesen Moment nennen wir "den zu erwartenden Wendepunkt". Zu erwartend ist er, weil er immer kommt. Immer. Wenn man diesen Wendepunkt erreicht hat, muss man nicht mehr Motivation durch Antriebsverstärker erzeugen, sondern das in Sichtweite geratene Ende der Aufgabe schafft aus sich selbst heraus Motivation.
Oder anders gesagt:
Besonders große/schwierige/komplexe Aufgaben musst du nicht auf einen Schlag mit dir selbst verhandeln, sondern es genügt, wenn du dich teilschrittchenweise mit verfügbaren, ausreichenden Belohnungen hindurchhangelst, bis der zu erwartende Wendepunkt einsetzt.
Ein Bericht aus dem Tagebuch einer Betroffenen:
ZitatWäscheaufhängen: Erst Wäscheständer holen und im Flur aufstellen, zur Belohnung Youtubevideo. Dann Wäsche aus der Maschine und den Batzen auf den Ständer legen, zur Belohnung Youtubevideo. Und danach hatte ich mich ja schon bewegt, sah also, dass ich es konnte, war in Schwung und nutzte es: Lautsprecher an, Musik an, Wäsche aufhängen und dabei ungelenk tanzen.
Auch wenn sie es ein wenig anders erklärt hat - das war der motivatorische Wendepunkt. Es lohnte sich nicht mehr, diese Arbeit abzubrechen, weil sie schon so weit gekommen war. Und plötzlich brauchte sie keine Verhandlung mehr mit sich selbst, um den Rest auch noch zu erledigen. Sie hat es einfach gemacht. Cool, oder?
Jetzt kommt der Schocker:
"Die ganze Wohnung auf Vordermann bringen" ist eine solche, riesige, schwierige, komplexe Aufgabe. Oder "Mein Leben in den Griff kriegen."
Genau das haben wir schon längst in tausend kleine Aufgaben zerschlagen, und für jede einzelne dieser Mikroaufgaben verfügbare, kleine Sofortbelohnungen vereinbart.
Und irgendwann kommt auch hierbei der zu erwartende Wendepunkt. Isso. Das heißt, irgendwann kommt der Moment, wo es sich für euch mehr lohnen wird, die Wohnung fertigzustellen, als sie euch mit einem halbgaren Zustand zufriedenzugeben. Ihr wollt diese Aufgabe abschließen.
Wann genau dieser Punkt in der jeweiligen Situation erreicht sein wird, kann niemand vorher sagen. Aber wenn man vorher weiß, dass dieser Punkt immer irgendwann kommt, dass unser "interner Energiekostenrechner", der unsere ganzen unwichtigen Entscheidungen nahezu im Alleingang trifft, irgendwann nicht mehr meldet: "Anfangen lohnt sich nicht!", sondern ganz sicher irgendwann plötzlich melden wird: "Aufhören lohnt sich nicht!", dann können wir in aller Seelenruhe alle Aufgaben gezielt immer nur bis zu dem Punkt verhandeln, zu dem wir uns ganz sicher zutrauen, sie erledigen zu können. Wir verhandeln erst wieder weiter, nachdem wir diesen Abschnitt abgeschlossen haben - und befinden uns in diesem Moment in einer motivatorisch günstigeren Position, als vorher. Es fällt uns also leichter, den nächsten Schritt zu verhandeln, als in dem Moment, als wir den vorherigen Schritt noch nicht abgeschlossen hatten. Kann mir noch jemand folgen?
Nein, okay, dann noch ein plastisches Beispiel. Du hast keine Lust, Zeit, Kraft, um 250 Teile Geschirr zu spülen, und du kannst dich nicht dazu überwinden, die Aufgabe "spüle 250 Teile Geschirr" jemals anzugehen. Du kannst dich auch nicht dazu überwinden, 5 Teile Geschirr zu spülen. Nicht einmal, ein einziges Teil Geschirr zu spülen. Aber du könntest dich zu folgenden Schritten dazu überwinden:
- Von der Couch aufstehen um aufs Klo zu gehen (Pflichtweg) - In die Küche gehen, Kaffee kochen (motivatorisch günstiger) - Den Stöpsel in das Waschbecken zu stecken (noch günstiger) - Den Wasserhahn aufzudrehen (noch günstiger) - Spüli ins Becken zu geben (noch günstiger)
Und jetzt stell dir vor, du siehst dem Wasser kurz beim Laufen zu, dann stellst du den Hahn ab, ziehst den Stöpsel und gehst weg, ohne ein einziges Stück Geschirr gespült zu haben.
Das würdest du nicht tun, oder?
Und zwar, weil du den motivatorischen Wendepunkt erreicht hattest. Auf einmal lohnte es sich nicht mehr, das Geschirr nicht zu spülen. Am motivatorischen Wendepunkt erklärst du dir selbst plötzlich, dass es Schwachsinn wäre, an diesem Punkt den Wasserhahn wieder zuzudrehen und den Stöpsel zu ziehen, ohne wenigstens ein Teil Geschirr gespült zu haben. Wenn du es also schon mal geschafft hast, dich bis zu diesem Punkt in Teilschritten zu motivieren, dann willst du nun auch ein paar Teile Geschirr spülen, um die Energie der ersten fünf Schritte nicht umsonst ausgegeben zu haben.
Wenn wir nun die Energie für den Geschirrberg wieder als Punkte betrachten, haben wir einen 250-Punkte-Berg, und es kostet uns 250 Punkte Motivation (die wir nicht haben), ihn anzugehen. Vereinbaren wir nur 10 Teile, brauchen wir 10 Energie, also 10 Motivation. 10 Motivation ist okay, das können wir aufbringen. Anschließend ist der Berg auch nur noch 240 Teile groß. Wir brauchen also schon mal 10 Motivation weniger als vorher, um ihn wieder anzugehen. Bei solchen Massen macht das noch keinen Unterschied, aber irgendwann kommt der Moment, wo wir genau so viel Motivation aufbringen können, wie wir noch benötigen, um den Berg zum Abschluss zu bringen. Z.B. wenn da nur noch 40 Teile liegen, dann sagen wir vielleicht: "Hey, das mach ich nicht auf viermal, das mach ich jetzt am Stück, und dann ist es endlich weg!"
Der Moment, in dem das Kosten/Nutzen-Verhältnis von "motivatorisch ungünstig" in "motivatorisch günstig" umschlägt, ist also zugleich der, in dem sich deine Leistungsbereitschaft erheblich steigern wird - praktisch von jetzt auf gleich. Statt wieder aufzuhören wie jeden Tag, beschließt du diesmal, es jetzt nicht mehr in kleine Teilschritte zu zerlegen, sondern jetzt endlich komplett fertigzustellen. Weil du dich nicht mehr damit überfordert fühlst. Weil du nicht mehr an dir zweifelst. Weil du das Selbstvertrauen besitzt, weil du deine Kräfte kennst, und du die absolute Gewissheit besitzt, dass du das jetzt definitiv schaffen wirst.
Aber das ist auch der Moment, in dem du am meisten Gefahr läufst, dich selbst auszubeuten, um dein Ziel zu erreichen. Der Moment, in dem du nur noch die Steine siehst, und sie nur noch loswerden willst. Schnell, schnell, schnell. Am besten gestern. Das ist der Moment, in dem du nicht mehr auf die Bedürfnisse deines Körpers achten, und bis tief in die Nacht schuften könntest, bis dein Rücken, deine Hände, deine Knie schmerzen, und du nur noch deshalb aufhörst, weil du sonst zusammenklappst. Das ist der Moment, in dem du Hunger und Durst und alles andere ignorieren könntest, bis du endlich fertig bist, und das ist der Moment, in dem du Gefahr läufst, dich so zu verausgaben, dass du am nächsten Tag wieder in Lethargie versinken möchtest.
Zum Glück hast du aber bis dahin schon geübt, dich nicht mehr selbst auszubeuten. Du hast geübt, diszipliniert und mit Köpfchen dranzugehen. Du hast geübt, dich selbst einzuschätzen, und auf Warnsignale deines Körpers zu achten und zu reagieren. Du wirst wissen, dass der zu erwartende Wendepunkt auch nach der wohlverdienten Pause, oder auch morgen früh noch da sein wird, wenn du wieder ausgeruht bist.
Die alten Probleme sind irgendwann alle weg, aber das Werkzeug, mit dem du Probleme lösen kannst, bleibt dir für ALLE Alltagsprobleme erhalten, die da noch kommen mögen. Ganz egal, was es ist, es braucht immer irgendwie Motivation es anzugehen, man braucht weniger Motivation, wenn man sich zuerst in eine neutrale Position manövriert, man kann alles in schaffbare Teilschritte zerlegen, man kann es sich bestimmt irgendwie energetisch leichter machen (vereinfachen) und man kann darauf bauen, dass irgendwann der zu erwartende Wendepunkt kommt.
Und wenn da nichts weiter mehr ist, als nur noch die kleinen Steine des jeweiligen Tages - was glaubst du dann, wie locker du mit größeren Steinen umgehen kannst, die ab und zu dazu kommen? Wie soll dir so ein pupsiges Steinhäufchen jemals wieder Angst einjagen können, nach allem, was du bereits hinter dich gebracht hast? Du wirst es jetzt noch sicher sehr seltsam finden, wenn ich dir das sage, aber in deinem Steinhaufen steckt eine große, wunderbare Chance für dich. Durch ihn kannst du lernen, was andere nie lernen werden - weil sie keine Gelegenheit dafür erhalten. Durch ihn kannst du lernen, Probleme zu lösen, vor denen andere davonlaufen würden. Um bei der Metapher zu bleiben: Wenn es so viele Steine sind, die du bewegen musst, dann entwickelst du automatisch Muskeln. "Problemlöse-Muskeln", wenn man so will. Dein Gehirn wird ein geübter, erfahrener Problemlöser. Du wirst für alle Zukunft wissen, dass jeder scheinbar unlösbare, riesige Problemhaufen hauptsächlich aus unzähligen kleinen Problemen besteht, von denen jedes einzelne lösbar ist, und da sie alle irgendwie zusammen zur großen Katastrophe geführt haben, löst du die große Katastrophe, indem du die unzähligen kleinen Probleme löst. Eines nach dem anderen. Nichts kann dich mehr schocken. Nichts kann dich mehr umhauen. Nichts kann noch so schlimm werden, dass du nicht sagen würdest: "Ich habe schon so viel geschafft, das schaffe ich auch noch." Wer einen Müllberg daheim hatte, und ihn aus eigener Kraft abgetragen hat, der ist auch stark genug für jeden alltäglichen Kleinkram, der da im Leben noch kommen mag.
Die motivatorisch günstigere Position finden - bei anderen Personen (Fortgeschrittenen-Wissen) Ich habe diesen Artikel hier angehängt, damit jeder, der sich dafür interessiert, zuerst die Basiskenntnisse liest. Wenn du wegen des Hauptguides hier bist, überspring ihn einfach. Aber komm ruhig wieder, wenn du mehr darüber erfahren möchtest, wie du es erreichen kannst, dass sich deine Angehörigen zuverlässiger und bereitwilliger um ihre eigenen Aufgaben kümmern. Du findest den Text leicht, weil es der einzige im Hauptguide ist, der noch einen Antwort-Beitrag 1 hat. Die anderen haben alle eine 0 in der Anzeige.
Wenn ihr eine Handlung nicht selbst aufnehmen wollt, oder könnt, könnt ihr euch das Wissen um die motivatorisch günstigere Position auch zunutze machen, um andere Menschen leichter zu motivieren.
1. Denk an den Semmelweis-Reflex. Ziehe immer in Betracht, dass der andere mental nicht in der Lage sein könnte, dein Anliegen nachvollziehen zu können.
2. - Behalte immer die Möglichkeit im Hinterkopf, dass auch der andere sich mit manchen Dingen oder der Fülle der Aufgaben überfordert oder ängstlich fühlen könnte, und dies genauso ungern zugeben will (oder es nicht mal vor sich selbst zugeben kann), wie du selbst. Verhandle daher keine Liste von Aufgaben, sondern immer nur einzelne Aufgaben.
Die Merkmale von Überforderung oder Angst sind manchmal nicht so leicht zu erkennen:
Starre (Person tut z.B. so, als würde sie euch nicht hören, als hätte sie es vergessen...) Flucht (Person verlässt den Raum, das Gebäude, muss plötzlich aufs Klo, fühlt sich plötzlich unwohl, bekommt einen "erwartbaren" Asthmaanfall, Kreislaufprobleme oder Kopfschmerzen) Angriff (Person wird aggressiv, hält euch ein "Gegen-Anliegen" vor) (Mehr dazu in unserem Angehörigen-Bereich)
Versuche (vornehmlich wahrscheinlich durch Beobachtung) herauszufinden, welcher "Typ" dein Angehöriger ist (Unsere 6 Typen im Basiswissen-Bereich), und probiere die Tipps, die für die jeweiligen Typen unserer Erfahrung nach am besten funktionieren.
3. Lies im Bereich "Ordnungssysteme" den Text "Das Sortieren von Dingen" Ganz besonders, wenn du eine Frau bist, und einen Mann motivieren willst, oder wenn du ein Mann bist, der sich selbst motivieren will. Der Titel klingt im ersten Moment nach "Pfff, jedes Kind weiß, wie man Dinge sortiert!". Wenn du das denkst, wirst du dich wundern...
Wenn keine Überforderung oder Angst vorliegen, geht es nur noch um die Energiekosten, die die Person - natürlich - nicht ausgeben möchte (unser aller Normalzustand, an dem nichts geändert werden kann). Diese Kosten kannst du diskret für die Person manipulieren - und dadurch die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass er oder sie die Handlung aufnimmt.
Diese Manipulation hat immer das Wohlergehen der Person und eurer Beziehung im Sinn. Der andere soll dadurch lernen, selbständiger und selbstbestimmter zu werden, und es soll euch dabei helfen, euch weniger zu streiten, weniger zu ärgern, weniger zu stressen. Es ist nicht dazu gedacht, Dinge, die eigentlich dein Job wären, auf andere abzuwälzen (und es funktioniert dann auch gar nicht...oder jedenfalls nicht lange).
4. Die motivatorische Position:
Wie bei dir selbst ist es auch bei anderen bedeutend, in welcher Position sie sich in genau dem Moment befinden, in dem du mit ihnen verhandelst. Es erhöht deine Chancen, dass sie eine Handlung aufnehmen, wenn du abwartest, bis sie aus einer motivatorisch ungünstigen Position herausgekommen sind, bevor du sie etwas fragst. Und - superwichtig - es verschlechtert die Chance, dass sie ihre motivatorisch ungünstige Position überhaupt verlassen, wenn du sie schon fragst, während sie diese Position noch innehaben!
Einfaches Beispiel: Dein Mann liegt auf der Couch und soll Rasenmähen. Wenn du ihn aufforderst Rasen zu mähen, während er da liegt, ist er noch weniger bereit aufzustehen, denn da lauert dann das Rasenmähen. Er krallt sich also umso fester in die Couch, und wartet sogar seinerseits auf den Moment, in dem du mal kurz nicht da bist, damit er aufs Klo rennen, oder sich was zu trinken holen kann, ohne dass du es merkst. Also sag nichts, sondern warte, bis er aufsteht, um aufs Klo zu gehen, oder sich was zu trinken zu holen, und bitte ihn genau dann, den Rasen zu mähen. Wenn er dann "nein" sagt, bitte ihn um etwas kleineres, das zu seinen üblichen Aufgaben gehört ("kannst du dann wenigstens bitte mal das Spielzeug vom Kind nachgucken, da ist die Batterie leer"). Wenn er das auch ablehnt, sag einfach gar nichts mehr dazu, und erledige wort- und kommentarlos seine kleinere Aufgabe. Nicht demonstrativ, aber so, dass er sieht, dass du es machst. Damit lieferst du ihm den Beweis, dass du seine Aufgaben tatsächlich übernimmst, und nicht bloß so tust, als ob.
Fange dann an, seine große Aufgabe vorzubereiten. Achte darauf, dass er mitbekommt, dass du dich jetzt mit seiner Tätigkeit beschäftigst. Stelle z.B. eine Frage zu der Aufgabe ("Welche Dübel nimmt man da am besten?"), oder bitte um eine Hilfestellung: "Kannst du mir dann wenigstens den Rasenmäher anlassen? Ich kriege da nie genug Schwung zusammen" Wenn er dann sowieso schon steht, und sowieso schon die Dübel in der Hand hat, oder den Rasenmähergriff in der Hand hat, wird er sehr wahrscheinlich die Handlung aufnehmen, weil du ihn dezent an den motivatorischen Wendepunkt herangeführt hast. Er rechnet dir hoch an, dass du dich nicht beschwert hast, und er versteht, dass du ihn mit dieser Aufgabe nicht ärgern wolltest, dass du dir nichts gesucht hast, mit dem du ihn von der Couch scheuchen kannst, weil du ihm das faulenzen nicht gönnst, sondern du wolltest offenbar nur, dass der Rasen gemäht wird, weil das Gras zu hoch ist, und da er das nicht macht, machst du es eben selbst, weil es notwendig ist. Eine notwendige Tätigkeit, die eigentlich sein Job gewesen wäre, und die du nun an der Backe hast, weil er lieber auf der Couch liegen will. Das gibt ein mächtig schlechtes Gewissen - und das wirkt als Antriebsverstärker.
ungünstig: Person liegt, sitzt und/oder ist anderweitig beschäftigt.
neutral: Person GEHT oder STEHT. günstig: - Passe den Moment ab, in dem die Person einen Pflichtweg hat, und gib ihr eine Aufgabe, die sie auf diesem Weg ohne nennenswerten Aufwand mit erledigen kann. ("Da du gerade aufs Klo gehst, bringst du mir bitte etwas zu trinken mit? Da du gerade zum Auto gehst, nimmst du bitte den Müllbeutel mit zur Tonne?"). Merkmal: müssen/wollen/brauchen = Pflichtweg. Ich brauche etwas aus dem Auto, ich muss zur Arbeit, ich will etwas trinken...
- Die Person bittet dich zuerst um etwas. ("Klar, mach ich. Kannst du dann bitte derweil XY für mich tun?" oder "Ich bin gerne bereit, dir etwas Geld extra für die Kirmes zu geben, wenn du dafür zuerst die Küche aufräumst/den Rasen mähst/das Katzenklo saubermachst, bevor du gehst.") Hierbei sind zwei Dinge besonders wichtig: Erstens, dass es die Belohnung erst nach der Leistung gibt, und die Belohnung auf keinen Fall trotzdem gewährt werden darf, wenn sich die Person nicht an die Vereinbarung gehalten hat, und zweitens, dass es sich hierbei um DEINE Arbeiten handeln soll, oder um solche, die du nicht machen KANNST. Aufgaben, die sowieso zu den Alltagspflichten des anderen gehören, werden nicht verhandelt. Den Versuch kannst du kontern mit: "Du gibst mir doch auch nix extra dafür, dass ich das Schlafzimmer putze."
noch günstiger machen: Mach es der Person so leicht wie möglich, die Handlung aufzunehmen (Vorbereiten von Teilschritten, die ihr ohne die Person erledigen könnt, z.B. Müllbeutel an die Türklinke hängen, Staubsauger schon mal hinstellen, Klappleiter und Werkzeug holen, Rasenmäher rausräumen und Rasen freiräumen...). Verkürze Laufwege, vereinfache Regeln, mache Routinen daraus. Z.B. sollen die Kinder jeden Morgen ihre Wäsche aus den Zimmern mitbringen. Wäsche soll auf die WaMa gelegt/nur bis an die Treppe gebracht werden (dann müssen die sie nicht sortieren, aber du sie auch nicht einsammeln).
Verschiedene Verhandlungsmöglichkeiten:
- Stelle eine Belohnung in Aussicht (positiver, extrinsischer Anreiz, die Handlung aufzunehmen)
- Gewähre zuverlässig die Belohnung, wenn die Person die Handlung aufgenommen hat. Auch dann, wenn die Aufgabe in deinen Augen besser hätte gelöst werden können (Vertrauensbildung -> Investition in die Zukunft). (Siehe auch Punkt 8)
- Verstärke die Handlungsaufnahme zusätzlich positiv, durch Lob, Dank oder eine andere Form von Anerkennung/Wertschätzung (die Wahrscheinlichkeit steigt, dass die Person das wünschenswerte Verhalten nächstes Mal bereitwilliger an den Tag legt)
- Formuliere die Aufgabe sehr klein und einfach ("hängst du bitte die Wäsche auf?", anstatt "Häng bitte die Wäsche auf, aber achte darauf, dass alle Socken paarweise zusammensind, und benutz Klammern, und schüttele die Hemden vorher aus...blablabla")
- Teile dir selbst eine unangenehmere Aufgabe zu als der Person ("du fegst und ich wische", "bring du den Mülleimer raus, ich putze das Klo")
- Stelle zwei Aufgaben zur Auswahl. Die Person soll sich daraus ihre bevorzugte Aufgabe aussuchen, und du übernimmst die andere ("wir müssen Auto putzen und Rasen mähen. Was davon möchtest du lieber übernehmen?")
- Teile Aufgaben nach Eignung ein. Bsp du bist Elektriker, sie Sekretärin: "Machst du bitte die Ablage, ich bringe die neue Lampe an"
- Sage deinem Partner, wenn du dich mit einer Aufgabe überfordert fühlst. ("Kannst du bitte die Versicherung anrufen, ich fühle mich davon überfordert/mir ist das unangenehm")
- Erkläre die Notwendigkeit, warum eine Aufgabe des Partners sofort erledigt werden muss ("Bitte mäh den Rasen noch vor Samstag, damit ich das Grüngut wegfahren kann" oder "Bitte sorg dafür, dass es wieder Licht auf dem Speicher gibt, damit ich dort die Weihnachtsdeko raussuchen kann")
- Verlange nie etwas, das du mit dem gleichen Aufwand selbst tun könntest (außer siehe Punkt 5) Beide sitzen auf der Couch - "Schatz, holst du mir bitte was zu trinken?"). Warte lieber, bis dein Partner eine neutrale Position eingenommen hat (aufs Klo gehen, was zu trinken mitbringen), oder bis du selbst diese neutrale Position einnimmst ("ich muss aufs Klo, soll ich dir was zu trinken mitbringen?").
- Erwarte nichts von anderen, das du selbst nicht leistest. Oder auch: Gehe mit gutem Beispiel voran. Wenn du nie morgens dein Bett machst, werden es deine Kinder auch nicht tun. Wenn du immer überall alles stehen und liegen lässt, werden die anderen auch nicht darum bemüht sein, ihren Kram aufzusammeln, und so weiter.
- Achte auch auf deine eigene Position während der Verhandlung. Wenn du dich in einer motivatorisch ungünstigen Position befindest, während du den anderen zu einer Handlung aufforderst/bittest, stehen deine Chancen schlechter, als wenn du dich selbst in einer neutralen Position befindest. Idealerweise befindest du dich selbst in einer aktiven Handlungsposition, während du fragst. Zum Beispiel wird sich dein Freund eher weigern, Energie auszugeben, wenn du ihn darum bittest, etwas zu tun, während du dabei gemütlich auf der Couch oder im Bett liegst. Es sei denn, du bittest ihn um einen Gefallen, der ihn keine nennenswerte zusätzliche Energie kostet, während es dich viel Energie kosten würde, wie etwas zu trinken mitzubringen. Wenn du selbst gerade am Spülen bist (buchstäblich "bis zum Hals in Arbeit steckst"), sind deine Chancen am höchsten, dass der andere eine Handlung aufnimmt, wenn du ihn darum bittest (z.B. Mülleimer rausbringen), und er kann schon fast nicht mehr nein sagen, wenn du auch noch eine gute Begründung nennst (Mülleimer rausbringen, weil er übel stinkt).
Es kann immer sein, dass euer Gegenüber die Handlung trotz aller motivatorischen Kniffe immer noch nicht aufnimmt. Am Beispiel mit dem Rasenmähen, es kann passieren, dass dir dein Mann den Rasenmäher anlässt, und dann wieder ins Haus stapft, um sich auf die Couch zu legen. Dann hast du das Pech, den Rasen tatsächlich mähen zu müssen. Dass der andere die Handlung nicht aufnimmt, liegt in den meisten Fällen daran, dass er auf eure "Geben-Nehmen-Waage" seiner Meinung nach viel mehr eingezahlt hat als du. Die Geben-Nehmen-Waage ist immer subjektiv. Die eigenen Leistungen werden immer höher bewertet, als die des anderen. Darum können beide Seiten gleichzeitig denken, dass die andere Partei diejenige ist, die weniger geleistet hat, als man selbst. Geleistete Aufgaben aus dem Arbeitsgebiet des anderen wiegen deshalb auch immer schwerer, als die eigenen. Jeder weiß, wenn etwas eigentlich seine Aufgabe gewesen wäre, und dass der andere diese zusätzlichen Energiekosten nur deshalb hatte, weil man selbst "zu faul" war, es zu tun (schlechtes Gewissen).
Außerdem ist bedeutsam, dass du, wenn du eine Aufgabe deines Partners übernimmst, ihm zugleich eine Möglichkeit raubst, seinerseits mit deren Erledigung etwas auf der Geben-Nehmen-Waage einzahlen zu können. Du nimmst ihm also sogar die doppelten Energiekosten weg - die, die du jetzt einzahlen kannst, und die, die er nicht einzahlen kann.
Du weißt es nicht so sehr zu schätzen, wenn dein Partner wöchentlich den Rasen mäht, wie wenn er einmal im Jahr das Bad putzt. Wenn du die subjektive Wahrnehmung deines Partners zu deinen Gunsten beeinflussen willst, füllst du deine "Geben"-Seite mit nichts schneller, als mit seinen Aufgaben. Also, dann mäh den Rasen - und du hast bei ihm einen dicken Stein im Brett. Wenn es noch nicht beim ersten Mal funktioniert, musst du noch ein paar weitere Aufgaben erfüllen (deshalb ist es auch so wichtig, dass der andere das immer irgendwie mitbekommt, sonst zählt es nicht), aber er wird sicher schon bald anfangen, seinen Beitrag zu leisten. Sein schlechtes Gewissen wird immer größer, und treibt ihn immer mehr dazu an. Dieser Effekt wird umso intensiver, wenn du keine Gegenleistung für deine Leistung erwartest. Denn eine Gegenleistung bringt die Waage ja wieder näher ans Gleichgewicht. Wir wollen jedoch erreichen, dass eine Zeitlang nur deine Geben-Seite anschwillt. So weit, bis dein Partner sich nicht mehr einreden kann, dass er genauso viel oder sogar mehr leisten würde, als du.
Achte deshalb auch darauf, dass die Erfüllung deiner eigenen Aufgaben nicht völlig unsichtbar abläuft. Lass zum Beispiel den Korb mit der gefalteten Wäsche noch so lange stehen, bis dein Mann von der Arbeit heimkommt, und räume die Wäsche erst dann in den Schrank. Oder lass Putzmittel und -utensilien noch stehen, nachdem du geputzt hast, damit der andere sieht, dass geputzt wurde. Stell die ganzen Mülleimer in den Eingangsbereich, anstatt sie direkt rauszuschaffen. Und wer weiß, vielleicht nimmt dir dein Partner sogar schon bald einen kleinen Teil deiner Arbeit ab, weil er sieht, dass du bereits viel geleistet hast, und weil es für ihn gerade energetisch günstig ist, es zu tun. D.h. er bringt direkt die bereitgestellten Mülleimer raus, wenn er von der Arbeit heimkommt, und im Flur die Mülleimer, den Wischmob und den Putzeimer mit dem schmutzigen Wischwasser stehen sieht. Wenn nicht, dann musst du es eben selbst machen - aber die Wahrscheinlichkeit, dir etwas zurückgeben zu wollen, steigt mit jedem Tag, an dem du sichtbar etwas auf die Geben-Nehmen-Waage einzahlst.
Wie schon ein paar Zeilen weiter oben erwähnt, nimmt man dem Partner die Möglichkeit, mit seinen gewohnten Aufgaben etwas auf die Geben-Nehmen-Waage einzuzahlen. Wenn du immer deine Aufgaben erledigst, und dann auch noch einen Großteil seiner Aufgaben erledigst, wird es für ihn zugleich immer schwieriger, eine Tätigkeit zu finden, die ihm eine angemessen hohe energetische "Einzahlung" ermöglichen würde. D.h. wenn seine üblichen Arbeiten alle weg sind, bleibt ihm buchstäblich gar nichts anderes übrig, als sich endlich um diese große Sache zu kümmern, um die du ihn vorher drölftausendmal vergeblich gebeten hattest (z.B. Garage entrümpeln oder den Dachboden ausbauen)
Du kannst dem anderen auch die Möglichkeit rauben, seine Geben-Seite der Waage zu füllen, indem du seine Aufgaben an andere überträgst. Aktuelles Beispiel aus dem Forum: Der Ehemann lässt sich tausendmal bitten, die Winterreifen aufzuziehen. Statt sich noch eine Minute länger darüber zu ärgern, oder nur noch ein einziges Mal darum betteln zu müssen, soll die genervte Ehefrau lieber in die Werkstatt fahren, und sich dort die Reifen wechseln lassen. Für so viel Genugtuung, Demonstration der eigenen Unabhängigkeit, das Verhindern einer so großen Einzahlung auf der Geben-Seite des Ehemannes (der sich in dem Fall sowieso aufführt wie ein kleiner König) und mehr Fahrsicherheit sind 25 Euro wirklich gut investiert.
5. Verstärke Eigenintiative positiv, sofort und mit deutlichen Worten. Betone, dass es dir besonders gut gefällt, dass die Person Eigeninitiative gezeigt hat. Es wird genau das Verhalten gefördert, das gelobt wurde. Also achte auf deine Formulierung. Wenn du dein Kind überschwänglich lobst, weil es das Flusensieb vom Trockner gesäubert hat, rennt das Kind bald zehnmal am Tag zum Trockner und kontrolliert das Flusensieb (ratet, wem das passiert ist ). Wenn du das Kind überschwänglich lobst, weil es ganz von alleine auf die Idee gekommen ist, etwas aufzuräumen oder zu putzen, wird es bald häufiger von allein auf die Idee kommen, irgendwas aufzuräumen oder zu putzen. Wenn du das Kind lobst, weil es sich an die Regeln/an eine Vereinbarung gehalten hat, wird es sich bald häufiger/zuverlässiger an Regeln oder Vereinbarungen halten. Zu loben, dass jemand selbstbestimmt gehandelt hat, ist nie verkehrt, wenn man sich wünscht, dass die Menschen um einen herum selbstbestimmter und somit unabhängiger werden, und ihren Beitrag leisten, OHNE dass du sie dazu ständig antreiben, ihnen Aufgaben zuteilen und/oder sie kontrollieren musst.
6. Die Energiekosten für unerwünschtes Verhalten gezielt erhöhen
Besonders gut geeignet für Kinder.
Wenn dein Kind vergessen hat, seine Jacke aufzuhängen, rufe es zu dir, aber brülle keine Anweisungen quer durchs Haus, sondern warte, bis es vor dir steht. Sage ihm nun, dass es seine Jacke aufhängen soll. Das Kind hat nun die überflüssigen Laufwegs-Energiekosten ausgeben müssen, und zurück muss es ja auch wieder. Es lohnt sich nicht, dir Widerstand zu leisten, denn es wurde bereits zu viel Energie ausgegeben.
Mit jedem Mal, das du es diese Konsequenz erleben lässt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es die Jacke, Schuhe, Schulranzen etc auf Anhieb wegräumt - um sich selbst diese überflüssigen Energiekosten zu sparen.
Sage nicht so etwas wie "Warum nicht gleich so?" Sag einfach "Danke."
Wofür denn Danke?!
Na zumindest dafür, dass du diese Energiekosten jetzt nicht ausgeben musstest...sieh es als Investition in die Zukunft. Jedes "Danke" spart dir 100x über-nicht-aufgehängte-Jacke-ärgern, und 100x Jacke-selbst-aufhängen-müssen.
Bedenke: Wenn du die Jacke selbst aufhängst, anstatt es die andere Person tun zu lassen, besteht für diese Person absolut kein Grund, ihr Verhalten jemals zu ändern - denn die Energiekosten für diese Handlung trägst DU. Jacke nicht aufhängen lohnt sich dann für den anderen mehr, als Jacke aufhängen!
Eine Verhaltensänderung wird nur dann notwendig, wenn die Energiekosten für das bisherige Verhalten unverhältnismäßig hoch werden. Solange du letzten Endes DEINE Energie dafür ausgibst, die Aufgabe des anderen zu erledigen, hat er KEINE, ich wiederhole, ABSOLUT KEINE Notwendigkeit, sein Verhalten zu ändern. Es muss sich lohnen, die Jacke gleich aufzuhängen, und es muss hohe Energiekosten verursachen, es nicht zu tun. ("Ich will lieber die Jacke gleich aufhängen, als nachher noch mal runterlatschen zu müssen")
Normalerweise versuchen wir diesen hohen Energiekosteneffekt über Gemecker (Druck, Angst, Scham) zu erzeugen. Das Problem dabei: Der andere wird zunehmend resistent gegen unser Gemecker, und wir müssen deshalb immer höhere Energiekosten aufwenden, um den anderen zu einer Handlungsaufnahme zu bewegen. So lange, bis es vollkommen absurd wird, da wird dann eine Stunde gebrüllt und 3498 Kalorien verbraten wegen einer Jacke, die aufzuhängen keine halbe Kalorie gekostet hätte. Die natürlichen Energiekosten verändern sich nicht, aber das Energiekostenmessgerät ist besonders empfindlich, wenn es um unnütz ausgegebene Energie geht. Hochzugehen, ohne die Jacke aufzuhängen, dann wieder runterkommen zu müssen, um die Jacke aufzuhängen, dann wieder hochzumüssen, um in sein Zimmer zurückzukehren, ist energetisch gesehen absolute Energieverschwendung, die man sich hätte sparen können, indem man einfach nur die Jacke gleich an den Haken hängt. Diese Erfahrung muss jeder selbst machen. Jedes interne Energiekostenmessgerät braucht zuerst diese Vergleichsdaten, bevor der Mensch anfängt, sein Verhalten zu ändern. Darum nutzt es auch nichts, den anderen jedesmal an der Tür direkt zu erinnern, dass er seine Jacke aufhängen soll. Denn das entbindet ihn von der Notwendigkeit, sich selbst daran zu erinnern. Wenn ihr also an der Tür seht, dass euer Kind seine Schuhe nicht ins Regal stellt, und seine Jacke nicht aufhängt, und seinen Ranzen stehen lässt, dann wartet seelenruhig ab, bis das Kind oben in seinem Zimmer angekommen ist. Dann ruft es wieder runter. Sagt ihm: "Was fällt dir in diesem Flur auf?" (Es soll sein eigenes Gehirn benutzen!). Das Kind sieht vielleicht nur die Jacke, hängt sie auf, rennt wieder hoch. Lass es rennen. Dann zitier es wieder runter. "Fällt dir noch was auf?" - Oh, die Schuhe. Wieder hoch. Wenn es dann oben seine Hausaufgaben machen will, wird es schon merken, dass sein Ranzen noch unten steht. Also muss es sowieso nach unten gehen, um den Ranzen zu holen. Es hat schon seinen Sinn, warum Kinder im Vergleich zu Erwachsenen so viel mehr Energie haben. Sie brauchen sie, weil sie noch nicht über die Erfahrung verfügen, die sie Energieverschwendungen wie diese vermeiden lässt. Beim nächsten Mal, wenn das Kind wieder Jacke, Schuhe und Ranzen vergisst, und du es nach unten rufst und fragst: "Was fällt dir auf?", wird es wahrscheinlicher sowohl die Schuhe, als auch die Jacke beim ersten Mal bemerken. Und eines Tages sogar den Ranzen. Wenn du das eine Weile lang konsequent durchgezogen hast, wird das Kind irgendwann seine Jacke gleich aufhängen, seine Schuhe gleich wegräumen, und den Ranzen beim ersten Gang nach oben gleich mitnehmen. Wenn es einen oder mehrere Fehler korrigiert - einfach direkt positiv verstärken!
Natürlich wird es trotzdem immer wieder einmal passieren, dass man etwas vergisst, dass die Jacke wieder runterfällt, oder dass der übliche Abstellplatz für den Ranzen temporär blockiert ist, man den Ranzen deswegen irgendwo anders abstellen muss, und deshalb der "Autopilot" versagt - schließlich sind wir alle nur Menschen. Dann eben noch einmal die Treppe runterlaufen zu müssen, ist eine natürliche, sachbezogene, negative Konsequenz - sie kostet Energie. Andere Konsequenzen kosten Geld. Ihr werdet mir sicher zustimmen, dass diese Methode eher amüsant, als grausam ist. Kein Vergleich zu drakonischen Strafen, Drohungen, oder Demütigungen.
7. Übe das (Leistungs-Belohnungs-)Verhandeln mit den anderen Besonders mit Kindern, aber vielleicht auch mit Erwachsenen. Lass zu, dass sie die Bedingungen eurer Vereinbarung vorher verändern ("Bekomme ich zwanzig Euro für die Kirmes, wenn ich das Bad putze, den Rasen mähe UND das Katzenklo saubermache?" - Warum nicht? Oder vielleicht hast du keine 20 Euro, und ihr einigt euch auf 15 für Bad und Katzenklo? Vielleicht wollen sie auch die Dinge in einer anderen Reihenfolge erledigen (dann könnt ihr darüber reden, ob das mehr oder weniger sinnvoll ist, als deine Vorgabe), oder sie sagen, dass sie zuerst eine andere Sache beenden wollen. Wie auch immer ihr euch einigt - bestehe darauf, dass die Vereinbarung dann genau so erfüllt wird, wie ihr euch geeinigt hattet. Wenn du den Tipp beherzigst, deine Forderungen nur dann auszusprechen, wenn sich dein Gegenüber bereits in einer neutralen oder günstigen Position befindet, hast du auf jeden Fall schon mal nicht mehr das Problem, dass das Kind unwillig ist, eine bequeme (ungünstige) motivatorische Position zu verlassen, um deine Forderung zu erfüllen. Also verlang gar nicht erst, dass es den Müll runterbringt, wenn es gerade am PC sitzt, sondern frag es, wenn es gerade aus dem Zimmer kommt, oder noch besser, frag es, wenn es dich zuerst fragt, ob es etwas von dir bekommt. Für Kinder muss man die getroffenen Vereinbarungen manchmal sogar aufschreiben, damit man einen Beweis dafür hat, dass die Vereinbarung auf eine bestimmte Art und Weise getroffen, und von dir eingehalten wurde, während das Kind seinen Anteil nicht erfüllt hat. Bevor eine neue Vereinbarung getroffen wird, bestehe darauf, dass das Kind erst seine alten Vereinbarungs-"Schulden" begleicht.
Andere könnten auch Verhandlungen von sich aus eröffnen. Heiße das willkommen, aber lass dich auch nicht auf faule Deals ein, wie "Ich sammle meine Schmutzwäsche auf, und dafür bekomme ich zwanzig Euro..." Hier kannst du wieder gegenverhandeln, indem du dem anderen sagst, dass das zu wenig für die geforderte Belohnung ist. Indem du mit dem anderen solche Verhandlungen übst, legst du in seinem Gehirn die Grundlage dafür, dass er in Zukunft besser und zuverlässiger mit sich selbst verhandeln kann. Wenn du einen anderen Menschen dazu erziehen willst, ein selbstbestimmter Mensch zu werden, darfst du also nicht alles bestimmen.
Und damit noch einmal zurück dazu, dass der andere sein eigenes Gehirn benutzen soll.
Je weniger Anweisungen du erteilst, desto höher ist die Notwendigkeit, dass der andere sein eigenes Gehirn benutzen muss. Wenn du zum Beispiel ein "lebender Terminkalender" bist, lernen die anderen in der Familie, sich voll und ganz auf dich zu verlassen. Sie müssen sich nichts selbst merken - also trainieren ihre Gehirne auch nicht die eigene Merkfähigkeit. Das führt dann in einen Teufelskreis: Du fühlst dich verpflichtet, dir alles zu merken, weil die anderen ja ständig alles vergessen. Dabei bist du der- oder diejenige, der/die durch seine/ihre ständige Intervention verhindert, dass die anderen überhaupt die Notwendigkeit erfahren, sich etwas merken zu müssen! Es hilft nur, sie ihre eigenen Erfahrungen machen zu lassen. Auch das Scheitern gehört unbedingt dazu, denn nur so erhalten sie die Vergleichswerte, wie etwas nicht funktioniert, und nur so erkennen sie die Notwendigkeit einer Verhaltensanpassung. Lass sie eine Geburtstagseinladung vergessen, oder erinnere sie nicht ständig daran, dass sie staubsaugen, den Müll raustragen... sollten, oder daran, dass heute nachmittag Fußballtraining ist, oder dass sich für Samstag Besuch angekündigt hat. Wähle zum Üben nicht ausgerechnet existenziell problematische Dinge, wie Hausaufgaben (die dann schlechte Noten bewirken) oder Rechnungen (die dann auch dich zusätzliches Geld kosten).
8. Vorsicht vor dem eigenen Hang zum Perfektionismus
Kritisiert nicht, dass es nicht schnell genug ging, oder nicht gut genug war. Wenn ihr findet, dass ihr es besser hättet machen können, dann hättet ihr es selbst tun müssen. Wenn ihr es nicht selbst tun wollt, oder könnt, dann gebt euch mit dem zufrieden, was ihr bekommt.
Wenn ihr jemanden ständig kritisiert, weil seine Handlung nicht gut genug für euren Anspruch war, verringert ihr seinen Antrieb, eine Handlung auf euer Geheiß hin aufnehmen zu wollen. Sagt ihr jemandem immer, dass er sich noch nicht genug Mühe gegeben hat - egal wieviel es war - reduziert ihr seinen Antrieb "für euch" etwas zu tun, nach und nach auf null. Und wenn ihr eure Kinder so erzieht, züchtet ihr euch damit die nächste Generation von antriebslosen Perfektionisten heran.
Ich verstehe den erzieherischen Gedanken, der dahinter steht: "Wenn es noch nicht richtig gemacht wurde, muss man sagen, was noch nicht passt, damit es derjenige beim nächsten Mal besser macht." Aber dieser Gedanke ist ein Trugschluss, basierend auf den eigenen, falschen Erziehungsmustern. Man muss dem anderen nicht jedesmal sagen, was noch nicht gut genug ist. Wenn du sagst, was schon sehr gut war, lässt das zugleich auch einen Rückschluss darauf zu, was noch nicht so gut war.
"Gut, besser, perfekt, so wie ich es haben will", das ist nur deine persönliche Skala. Es ist dein Maßstab, den du an einen anderen Menschen anlegst. Er ist erst dann gut genug, wenn er es so gut kann, wie du. Dass du zwanzig Jahre Übungsvorsprung hast, vergisst du. Dass du selbst schon hundertsiebzehn verschiedene Methoden ausprobiert hast, bis du bei dieser geblieben bist, vergisst du. Vielleicht meinst du es auch nur gut. Vielleicht willst du es dem anderen nur ersparen, so lange üben zu müssen, und so viele verschiedene Methoden durchzuprobieren, bis er schließlich dort landet, wo du jetzt bist.
Du kannst anderen nicht ersparen, ihre eigenen Erfahrungen machen zu müssen. Aber du kannst es ihnen zumindest ersparen, hinterher von dir noch zu hören: "Hätteste halt gleich auf mich gehört." Das wissen die dann sowieso. Aber sie werden in Zukunft bereitwilliger auf dich hören, wenn du es ihnen hinterher nicht auch noch reinreibst.
Wenn der andere sich selbst zu vergleichen beginnt, wenn er merkt, dass du mit deiner Methode schneller bist, dass eine andere Methode energiesparender ist, oder zu besseren Ergebnissen führt, dann wird er es bald von ganz alleine besser machen. Vielleicht findet er sogar einen Weg, der noch besser ist als deiner. Dafür musst du ihn verschiedene Wege selbst ausprobieren - und auch mal scheitern - lassen. Er muss verschiedene Wege selbst testen, um die Energiekosten tatsächlich mit seinem internen Messgerät messen und vergleichen zu können, und du kannst diese Energiekosten sehr oft zu seinem Vor- oder Nachteil manipulieren, um den Effekt zu verstärken. Erinnerst du dich an die Metapher mit dem "internen Energiekosten-Messgerät"? Jeder Mensch findet seinen eigenen Weg, Kosten und Nutzen abzuwägen, und wir wählen immer automatisch den optimalen Modus. Dein internes Messgerät weiß, wie es für dich am besten funktioniert. Sein Messgerät hat noch keine Vergleichsdaten gesammelt. Also lass ihn sammeln, verstärke positiv, was du gut findest, und verschweige, was du anders machen würdest. Du bist nicht das Maß aller Dinge. Und du kannst es doch bestimmt auch nicht leiden, wenn dir jemand bei allem, was du tust hinterher läuft, und dich ständig darauf aufmerksam macht, was noch nicht gut genug ist, wo du etwas übersehen hast, und was du noch besser machen könntest. Also, wenn du solche Personen schrecklich findest - dann sei selbst keine solche Person.
9. Kritik von anderen Du hast etwas für den anderen getan, und nun wird deine Arbeit entwertet, indem er an dir oder der von dir geleisteten Arbeit Kritik übt/sich beschwert, weil dies, das, jenes nicht richtig gelaufen ist. Hier gibt es eine wirklich ganz einfache Möglichkeit, dem anderen den Wind aus den Segeln zu nehmen, und ihm zu zeigen, dass er im Unrecht ist, wenn er sich über deine Hilfe beschwert. Lass ihn nörgeln, und wenn er ausgeredet hat, sagst du:
Sag es nicht giftig oder pampig, sag es einfach so, als hätte der andere gerade gar nicht gemotzt, sondern "Danke für deine Hilfe." gesagt.
-------------------------------------------------
Es ist egal, ob ihr einen Kollegen, Partner, Freund, Nachbarn, oder eure Kinder....oder wen auch immer dazu bewegen wollt, eine Handlung aufzunehmen. Die Methode ist bei allen dieselbe. Wenn derjenige nicht tut, was ihr wollt, ist die Aufgabe zu groß, die Belohnung zu klein, oder die Verhandlungsposition zu ungünstig. Herumschrauben könnt ihr meistens an allen drei Faktoren - so, wie ihr das auch bei euch selbst tun würdet.
Die Verhandlungen mit anderen Menschen laufen ganz genau so ab, wie die Verhandlungen mit euch selbst. Und Verhandlungsfehler haben genau die gleichen Konsequenzen bei euch selbst, die sie auch im Umgang mit anderen Menschen haben. Ein Kollege, der immer wieder um die Belohnung geprellt wird, die ihr ihm versprochen habt, hat irgendwann keine Lust mehr, noch irgendwas für euch zu tun. Es fällt euch immer schwerer, ihn noch zu einer Handlungsaufnahme zu überreden. Wenn ihr den Fehler, den ihr im Umgang mit einem anderen Menschen begangen habt, wiedergutmachen wollt, müsst ihr ganz klein anfangen, und ab sofort für eine ganze Weile zu 100% korrekt zu ihm sein, bevor er euch wieder zu vertrauen beginnt. Und wenn der Fehler an euch begangen wurde, und niemand da ist, der ihn wiedergutmacht, dann müsst ihr das selbst in die Hand nehmen. Zu 100% korrekt zu euch selbst sein, bis ihr euch irgendwann wieder zu vertrauen beginnt.
Man muss ausprobieren. Vom nachdenken, lesen und schreiben alleine passiert nichts.