Ein absichtlich provokativer Titel, und ich bin sicher, so mancher hat gerade beim Lesen scharf die Luft eingesogen.
Die Empfehlung, nicht darüber zu sprechen, geht gegen so ziemlich alles, was wir als empfehlenswert betrachten, wenn jemand Hilfe braucht. Das ist mir vollkommen bewusst, aber ich sage es trotzdem. Erlaube mir, die Gründe zu erklären. Wenn du es danach noch als falsch empfindest, nicht darüber mit anderen Menschen zu sprechen, dann tu, was dir richtig erscheint. Ich kann es dir schlecht verbieten, oder?
Schon in mehreren anderen Texten habe ich darauf hingewiesen, dass du mit hoher Wahrscheinlichkeit hauptsächlich von solchen Menschen umgeben bist, die dasselbe Problem haben, wie du - nur in anderer Ausprägung. Wenn es jemanden gäbe, der wüsste, wie man sich positiv motiviert, dann hätte der dieses Wissen längst mit dir geteilt, und du wärst nicht in der Situation, in der du gerade bist.
Viele Menschen können sich ganz schlicht formuliert überhaupt nicht vorstellen, dass positive Motivation genauso gut funktioniert wie negative, (und noch weniger würden sie glauben, dass sie sogar besser funktioniert), weil sie diese Erfahrung nie - oder nie bewusst - gemacht haben. Wir erleben diese reflexartige Ablehnung auch bei Betroffenen: Viele können es nicht glauben, und deshalb sagen wir auch immer wieder, dass der schwierigste Schritt der ist, es trotzdem auszuprobieren, und die Erfahrung selbst zu machen. Manche hingegen erinnern sich an positive Erfahrungen, an Belohnungen, die sie in ihrem Leben kennengelernt haben, und sagen sofort: "Ja, das kann ich mir vorstellen, das ergibt Sinn!" oder sogar: "Oh mein Gott, mir wird gerade so vieles klar, das sind genau die Dinge, die bei mir heute anders laufen als früher, wo es bei mir noch super funktioniert hat!" Seitdem wir mehr Betroffene haben, die darüber berichten, dass es funktioniert, werden auch immer mehr skeptische Betroffene ermutigt, es zu probieren. Besonders wenn jemand schreibt: "Ich habe das alles am Anfang selbst auch absolut nicht glauben können, aber als ich es ausprobierte, merkte ich sofort, dass es was brachte!" (Oh Gott, das klingt jetzt wie eine von diesen gekauften Rezensionen für Viagra ) Ein wiederkehrender Knackpunkt ist ausgerechnet das Kern-Konzept: Die Belohnung. Betroffene lehnen immer wieder ab, jetzt schon für irgendwas eine Belohnung zu verdienen, ihnen wird (oder wurde) ständig gesagt, dass sie für ihr Verhalten keine Belohnung verdient haben, und das hat sich so tief in ihnen festgesetzt, dass sie es inzwischen auch längst zu sich selbst sagen. Außerdem wird of die immense Bedeutung der Belohnung völlig unterschätzt, oder sie wird schlichtweg im Eifer des Gefechts vergessen. Doch ohne Belohnung - ohne positive Anreize/Antriebsverstärker geht es nicht. Wenn die negativen Verstärker bisher nie ausgereicht haben, egal wie stark sie wurden, dann muss etwas Anderes her, etwas Zusätzliches, damit man endlich aufsteht und tatsächlich etwas tut. Aber warum sollte man sich noch mehr selbst unter Druck setzen, wenn genauso gut die Aussicht auf einen richtigen Feierabend, auf eine gemütliche Tasse Kaffee, einen Kinobesuch oder Ähnliches einen dazu verlocken kann, zu tun, was getan werden muss?
Tja...weil das eigene Umfeld manchmal querschießt, und weil man tief in seinem Inneren überzeugt ist, dass man keine Belohnung verdient, solange die Aufgabe nicht richtig fertig ist. Ein schreckliches Dilemma. Man kann "die Aufgabe" nicht abschließen, weil sie zu groß ist, also kann man sich auch nicht belohnen, und somit fallen positive Antriebsverstärker flach, die dabei helfen würden, sich der Aufgabe zu stellen, wenn man sie sich vorher in Aussicht stellen würde. Das ist ein Teufelskreis. Und den unterbricht man am besten, indem man sich "einfach trotzdem" belohnt, und zwar nach jedem Teilschritt(chen). Auch wenn in einem drin ein Widerstand dagegen zu sein scheint. Oder eben, wenn das Umfeld sagt, dass man das jetzt noch nicht verdient habe. Darum ist es gut, wenn man im laufenden Prozess nicht mit anderen darüber spricht - denn dann riskiert man auch nicht, dass sie einen mit solchen Sprüchen runterziehen.
Ich erinnere mich noch lebhaft an einen Dialog mit einer Betroffenen, die auch berichtete, dass sie total in der Antriebslosigkeit versumpft war, und die wissen wollte, was sie tun kann, um da rauszukommen: Ich erzählte ihr, wie ich mir damals immer vorgenommen hatte, meinen Haushalt so zügig wie möglich zu erledigen, damit ich gleich danach rausgehen kann, und meinem Freund nicht begegnen musste. Und dann kaufte ich mir unterwegs einmal spontan Weintrauben. Ich hatte schon ewig kein frisches Obst mehr gegessen, und für mich war es ein unbeschreiblich tolles Gefühl, weitab von allem, was mich runterzog einfach nur dazusitzen, und Weintrauben zu essen. Mit dem Geschmack kamen Erinnerungen hoch, an früher, als ich noch so viel normaler war. Plötzlich traf mich die Erkenntnis wie ein Hammerschlag: Ich hatte mich so extrem weit von der Normalität entfernt, dass selbst Weintrauben für mich schon etwas Außergewöhnliches waren - und da wusste ich, dass ich dringend etwas ändern muss. Ich brauchte mehr solche Momente in meinem Leben. Mehr positive Erlebnisse, und nicht immer nur Streit und Gedankenstrudel und Ängste. In dem Moment begriff ich, dass es Lebensqualität war, die mir gefehlt hatte. Sehr, sehr viel Lebensqualität, wenn sogar ein paar Weintrauben schon einen regelrechten "Belohnungsschock" (im positiven Sinne) in mir auszulösen vermochten. Aber die Betroffene schrieb: "Ich hatte mir hier ernsthaft Rat und Hilfe für meine schwerwiegenden Probleme erhofft, und dann erzählst du mir, ich solle einfach ein paar Weintrauben essen, und alles wird gut - so ein Schwachsinn!". Semmelweis-Reflex. Volle Lotte. Nur wusste ich das damals noch nicht.
Ebenso reflexartig wie von vielen Betroffenen wird die Methode häufig von den Angehörigen abgelehnt. Da sie - wie gesagt - im Prinzip das gleiche Problem in geringerer Ausprägung haben, können auch sie sich die entscheidende Bedeutung von Belohnungen (Lob, Dank, Anerkennung...) nicht vorstellen - und reagieren in den meisten Fällen wütend und reflexartig abwehrend. Sie sagen genau die Dinge, die die Betroffenen kaputt gemacht haben. Dinge wie "Dafür verdient man noch keine Belohnung!" oder "Ich soll den Betroffenen für Pipifax loben? Das sehe ich überhaupt nicht ein!" oder "Unsere Probleme löst man nicht mit gemütlich Kaffeetrinken!" Ich muss immer ein bisschen schmunzeln, wenn ich das lese. Und ganz ehrlich, ich kann diese Abwehrreaktion total verstehen. Ich weiß doch selbst, wie verrückt das klingt: "Wenn du langsamer arbeitest, und viele Pausen machst, kommst du bald sehr viel schneller voran." "Wenn du nicht weißt, wo du anfangen sollst, vereinbare zuerst einen Feierabend." und jetzt auch noch "Sprich nicht über dein Problem."
Aber genau das ist der Grund, warum das hier funktioniert - weil es eben etwas ganz anderes ist, als das, was man schon tausendmal vergebens gemacht hat. Es soll den Teufelskreis an einer Stelle durchbrechen, an der es funktioniert, statt immer wieder zu versuchen, ihn an einer Stelle zu durchbrechen, an der es noch nie funktioniert hat. Aber zugleich widersprechen diese Anleitungen auch allem, was man als "richtig" kennengelernt hat. Der Verstand sagt: "Das ist total unlogisch. Das kann überhaupt nicht funktionieren." und bei vielen sagt er sogar: "Dadurch wird ja alles nur noch viel schlimmer!"
Und so geht es nicht nur dir, wenn du hier neu bist, sondern so geht es auch den Menschen um dich herum, wenn du ihnen davon erzählst. Sie fassen sich an den Kopf und rufen: "Hörst du dir eigentlich selbst zu, was du da redest? Langsamer arbeiten? Du bist doch eh schon arschlangsam! Du sollst Kaffeetrinken gehen, wenn deine Bude im Müll versinkt? Geht's noch? Und jetzt sollst du auch nicht mehr mit anderen darüber reden? Was sind denn das für Leute, mit denen du da rumhängst! Das sind sicher alles so faule Säcke, die sich da irgendsoein albernes Ponyhof-Konzept zusammengebastelt haben, damit man sie weiter schön in Ruhe vor sich hin gammeln lässt! Lass die Finger davon, reiß dich mal zusammen, Arsch hoch und ein paar Tage richtig ranklotzen, dann ist das Thema vom Tisch!"
Ja...funktioniert wahrscheinlich sogar...bis zum nächsten Mal...
Wenn du also hier nun neue Ideen kennengelernt und ausprobiert hast, und feststellst, dass das tatsächlich funktioniert, dann bist du vielleicht ganz aufgeregt und euphorisch, und nun möchtest du, dass dein Umfeld möglichst schnell davon erfährt, dass bei dir im Kopf etwas in Bewegung geraten ist. Dass du nicht nur den Ursachen für dein Problem näherkommst, sondern auch eine Methode kennengelernt hast, wie du dem entgegen steuerst. Und es heißt ja auch immer, dass man drüber reden soll, sich öffnen soll. Dass es hilft, klar und offen und direkt miteinander zu kommunizieren. Alles gut und schön. Aber dadurch kann es eben leider sehr leicht passieren, dass du den Semmelweis-Reflex bei deinem Gegenüber auslöst. Die Methode wird dir madig geredet, ins Lächerliche gezogen, und lautstark abgelehnt. Hinzu kommt bei vielen noch das auf langer Erfahrung basierende, genervte Misstrauen dir gegenüber. Hast du nicht schon so oft versprochen, dass ab jetzt alles anders wird, und nie ist was draus geworden? Warum sollte man dir diesmal glauben?
Diese Gespräche sind unglaublich energiefressend und demotivierend. Sie wecken Zweifel, ob das alles hier wirklich eine so gute Idee ist. Denn wenn es eine gute Idee wäre, warum sind deine Gesprächspartner dann so fest davon überzeugt, dass es nicht funktioniert? Bist du vielleicht irgendwelchen Internet-Spinnern auf den Leim gegangen, die dir Wundermittel andrehen wollen? Ist das hier am Ende gar Gehirnwäsche? Nein, natürlich nicht. Es geht ja nicht um ein Kontaktverbot. Nur darum, dieses Thema eine Weile ruhen zu lassen. Einfach mal nicht sprechen, sondern machen.
Alles hier zielt darauf ab, sich selbst im Lauf des Tages ein paar kleine, gute - und völlig harmlose - Dinge zu gönnen, die dein Wohlbefinden und deine Lebensqualität steigern. Kein Arzt der Welt hätte gegen dieses Vorgehen etwas einzuwenden. Das alles ist dir klar, aber im Gespräch mit einem Menschen, dem du vertraust, werden die Zweifel trotzdem kommen. Entweder kannst du ihn überzeugen, der Methode eine Chance zu geben, oder er redet es dir aus. Das ist eine 50-50-Chance, bestenfalls, wenn man davon ausgeht, dass du dir der Meinung, dass dies hier das Richtige für dich ist, sehr sicher bist. Aber für dich ist das ja auch alles noch ganz neu, und es fängt gerade erst an, zu funktionieren. Überzeugungsarbeit leisten zu müssen kostet viel zu viel Kraft, die du gerade viel dringender für etwas anderes brauchst, und wenn es nicht klappt, verunsichert dich die Ablehnung des anderen möglicherweise so sehr, dass du lieber nicht mehr hier weitermachst. Ich sage auf gar keinen Fall, dass du niemals mit anderen reden solltest. Aber rede lieber mit professionellen Helfern - Ärzten, Psychologen, Sozialdiensten, als mit Freunden und Verwandten. Das Risiko, dass dich die Menschen um dich herum nicht verstehen, und reflexhaft ablehnen, was du sagst, ist einfach noch viel zu groß. Darum kann ich dir nur wärmstens empfehlen: Geh dieses Risiko jetzt noch nicht ein.
Die Erfahrung zeigt: Je früher das Gespräch mit den Angehörigen geführt wird, desto geringer ist die Aussicht darauf, dass das Gespräch so verläuft, wie es sich der Betroffene gewünscht hätte.
Wenn du jetzt reden willst, dann rede hier im Forum mit Menschen, die das gleiche Problem haben wie du, und die die gleichen Informationen gelesen haben. Einige von ihnen werden dir voraus sein. Lies nach, wo sie anfingen, und wie sie sich entwickelten. Andere werden ungefähr da stehen, wo du jetzt auch stehst. Erkenne dich und deine Zweifel in ihnen wieder, erkenne die Fehler, die du selbst machst, bei ihnen wieder. Und manche sind von ihren Gedanken her noch sehr viel weiter von einer positiven Veränderung entfernt als du - und diese wiederum können sich an dir orientieren, sich dich zum Vorbild nehmen, wenn du darüber schreibst, was in deinem Kopf vorging, während du das hier last, während du es ausprobiertest, und was dabei herauskam. Rede mit den anderen über alles - außer dein Problem. Denn auch das ist wichtig für dich. Es soll sich ja eben im Leben nicht mehr alles nur um den dysfunktionalen Teil drehen. Mehr gute Dinge in deinem Leben zuzulassen heißt auch, den schlechten und traurigen Dingen nicht mehr so viel Platz zuzugestehen. In deinen Gedanken, Gesprächen und Handlungen aktiv dafür zu sorgen, dass sich nicht mehr alles nur um Müll, Chaos, Antriebslosigkeit (oder "Faulheit") dreht.
Außerdem ist es doch im Normalfall so, dass ihr über diese Themen bereits tausendmal ergebnislos geredet habt, oder nicht? Es wurde also längst das getan, was die Experten normalerweise (und normalerweise auch zu Recht) empfehlen: Man hat sich geöffnet, es rausgelassen, sich geoutet, zugegeben, dass man faul ist, dass man Dinge nicht auf die Reihe bekommt - und nicht weiß, wieso. Vielleicht quasselt man sogar schon jahrelang jeden Tag darüber, oder wird gezwungen, dieses sich ewig im Kreis drehende Gespräch jeden Tag aufs Neue zu führen, wie eine Horror-Version von "Und täglich grüßt das Murmeltier." Hat es bis jetzt geholfen? Wohl eher nicht, denn sonst wärst du nicht hier gelandet. Und was war noch gleich die Einsteinsche Definition von Wahnsinn? Ständig dasselbe zu versuchen, und andere Ergebnisse zu erwarten. Also tue zur Abwechslung einfach mal das genaue Gegenteil: Vergeude deine Zeit und deine Energie nicht mehr damit, zu reden, sondern konzentriere dich darauf, zu handeln. Goethe kam nicht nur schon viel eher darauf als ich, sondern formulierte das auch viel eleganter: "Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehen!"
Wenn du aufhörst zu reden, und stattdessen zu handeln anfängst, und sich daraufhin die Dinge zu verbessern beginnen, werden es die anderen auch so merken - ganz ohne, dass du ihnen vorher etwas erzählt hast. Sie werden angenehm überrascht sein, und dir ehrliches Feedback geben, und das wird dir umso mehr bedeuten, denn du weißt, dass sie es nicht nur sagen, weil sie dich unterstützen wollen, sondern weil es ihnen wirklich positiv an dir aufgefallen ist. Dadurch vermeidest du auch, dass sich bei anderen eine zu hohe Erwartungshaltung aufbaut - und damit zugleich bei dir die negativen Verstärker Druck, Angst oder Scham, dieser Erwartungshaltung unbedingt sehr bald gerecht werden zu müssen - unangenehme Gefühle, auf die du - wie du jetzt weißt - mit gewohnheitsmäßigem Ausweichen und Vermeiden reagierst.
Mir ist aufgefallen, dass in sehr vielen Anleitungen zum Ändern schlechter Gewohnheiten (Diät, Rauchstopp) die Empfehlung steht, man solle möglichst vielen Leuten sein Vorhaben mitteilen. Ich erkenne den Sinn dahinter, aber ich finde diese Methode schon in anderen Zusammenhängen als mit Antriebslosigkeit fragwürdig. "Ich will aufhören zu rauchen, und deshalb erzähle ich es der ganzen Firma, damit ich mich zum Gespött mache, und als willensschwacher Trottel dastehe, wenn ich es nicht schaffe - und diese Scham soll mich davor bewahren, wieder zur Kippe zu greifen?" Wie armselig. Wie negativ und wie selbstzerstörerisch teilweise auch. In der Firma als willensschwacher Trottel dazustehen kann ein Karrierekiller sein. Aber bei Antriebslosigkeit wirkt diese Methode erst so richtig absurd. Man soll sich gezielt und absichtlich negative Verstärker suchen, den Druck erhöhen, damit man sicherstellt, dass es wirklich funktioniert? Und das, obwohl es das Wesen dieser Problematik ist, dass die Betroffenen auf negative Verstärker gewohnheitsmäßig mit Ausweichen reagieren? Obwohl die meisten "hochallergisch" gegen Druck, Angst und Scham sind, und entweder eine trotzige Verweigerungshaltung einnehmen, wieder in endlose Rechtfertigungsmonologe verfallen, mit Starre oder sogar kopfloser Panik reagieren? Im Zusammenhang mit Antriebslosigkeit ist die Taktik, andere einzuweihen, um sich zusätzliche negative Verstärker an Bord zu holen, schon beinahe eine Garantie dafür, dass man scheitern wird. Aus diesem Grund soll man ja auch keinen finalen Termin festlegen, bis zu dem man seine Wohnung in Ordnung gebracht haben will. Das erhöht nur den Druck, den Stress und die Angst, wieder einmal zu versagen, und dann vor sich selbst (oder sogar auch vor anderen, wenn man es denen angekündigt haben sollte) blöd dazustehen.
Nein, ich wünsche mir für euch nicht, dass sich hier jemand ohne jede Vorwarnung in der Situation wiederfindet, Druck, Angst oder Scham erleben zu müssen, weil ihr euch arglos anderen Leuten mitteilt. Lasst sie außen vor, nur für eine Weile. Ja, dadurch entgeht euch möglicherweise auch positive Unterstützung. Aber mal ganz ehrlich: Wenn sich hier im Forum alles darum dreht, dass man von der Unterstützung, Anleitung oder Kontrolle anderer Personen unabhängig wird, dann ist es doch absurd, sich gleich am Anfang extrinsische Antriebsfaktoren ins Boot zu holen. Wie soll man lernen, fehlende fremdbestimmte Handlungsaufnahme durch verbesserte selbstbestimmte Handlungaufnahme zu ersetzen, wenn die Fremdbestimmung zu dem Zeitpunkt - ausnahmsweise - vorhanden ist? Und angenommen, man schafft es auf diese Weise - wie soll es danach weitergehen? Dann muss man doch die Fremdbestimmung immer mit an Bord lassen, denn dann hat man zwar ausgemistet und aufgeräumt - aber nicht gelernt, aus sich selbst heraus den Antrieb zu erzeugen, diese Dinge zu tun, ohne dass sich andere an irgendeinem Punkt in diesen Prozess einmischen.
Der Tag, an dem du mit anderen Menschen über die Veränderung sprichst, wird ganz bestimmt noch kommen - und zwar, nachdem die Veränderung sichtbar geworden ist.
Also spare dir vollmundige Ankündigungen. Setz dich nicht selbst unter Druck, indem du eine Erwartungshaltung bei deinem Umfeld aufbaust, die du dann erfüllen musst. Fordere nicht heraus, dass dich die anderen kontrollieren, nachhaken, oder ungeduldig darauf beharren, dass es schneller vorangehen muss, als es dir in deinem individuellen Tempo möglich ist. Erlaube dir, diese Sache nur für dich selbst zu tun. Und halte das Schlupfloch geschlossen, andere zu involvieren, in der heimlichen Hoffnung, dass sie dir einen Teil der Last, die eigentlich dein Leben ist, abnehmen. Präsentiere auch keine Ergebnisse in der Hoffnung auf eine positive Reaktion. Dann riskierst du auch nicht, dass deine Leistung, auf die du so stolz bist, durch den anderen entwertet wird.
"Schau mal, ich hab schon mein ganzes Bad ausgemistet!" "Toll, dafür sieht der Rest der Wohnung immer noch aus wie Sau." oder "Willst du mir jetzt erzählen, dass du für das Bisschen den ganzen Tag gebraucht hast?" oder "Naja, geht so. Das und das hättest du aber noch sauberer putzen können." Und schon fühlst du dich wieder schlecht. Geh das Risiko, solche Sprüche zu hören zu bekommen, nicht in der Hoffnung auf ein Lob ein. Du belohnst dich jetzt selbst, du bist nicht mehr darauf angewiesen, dass andere das tun.
Motivatorisch betrachtet heißt das Präsentieren deiner Leistungen ja nichts anderes, als dass du nach extrinsisicher Motivation heischst - nach Lob, Dank oder Anerkennung von anderen. Dabei sollst du doch lernen, dir Lob, Dank und Anerkennung deiner Leistungen selbst zu geben!
Warte lieber, bis den anderen die Veränderungen aufzufallen beginnen. Zwischen dem Moment, in dem es in deinem Kopf *klick* gemacht hat, und dem Tag, an dem andere bemerken: "Du hast dich in letzter Zeit wirklich zum Positiven verändert!", vergeht im Normalfall mehr Zeit, als du dir wünschen würdest. Denn selbst wenn andere deine Veränderung wahrzunehmen beginnen, warten sie lieber noch eine Weile vorsichtig ab, ob es auch anhält, bevor sie etwas sagen. (Was - nebenbei bemerkt - ein schwerer Fehler ist, wie wir jetzt wissen. Wünschenswertes Verhalten sollte eigentlich SOFORT positiv verstärkt werden. Und daran sieht man, dass die anderen eben nicht wissen, wie es geht, was nichts anderes bedeutet, als dass sie dir nicht wirklich helfen, und dir im schlimmsten Fall sogar schaden können)
Das heißt nicht, dass du alles komplett alleine erledigen sollst, wenn du mit anderen zusammenlebst. Hier geht es ja auch in vielen Texten darum zu lernen, anderen ihre Dinge selbst zu überlassen, und im nächsten Schritt (oder als Angehörige/r) dafür zu sorgen, dass auch die Menschen um dich herum in Zukunft selbstbestimmter und selbstständiger werden. Da kann es eine gute Sache sein, irgendwann mit ihnen über Selbst- und Fremdbestimmung, über positive und negative Antriebsverstärker, und über Antriebslosigkeit und "Faulheit" zu sprechen. Sie werden eher geneigt sein, dir zuzuhören, wenn du ein Vorbild bist; der lebende Beweis, dass es funktioniert, und dass du weißt, wovon du redest. Vielleicht machen sie es dir aber auch einfach von alleine nach. Vielleicht steckst du sie mit deinem selbstbestimmten, positiv motivierten Wesen auch an, und die Probleme (größeren Steine) mit deinem Umfeld schrumpfen, oder erledigen sich sogar von allein.
Schließen wir den Bogen zum Anfang des Textes. Bist du immer noch empört, weil ich vorschlage, nicht mit anderen zu sprechen - wenigstens eine Zeitlang? Wie gesagt, wenn es dir wirklich wichtig ist, dann tu es. Wenn du jemanden hast, bei dem du weißt, oder spüren kannst, dass er dich unterstützen wird, und du ihn bedenkenlos einweihen kannst, dann tu es. Aber wenn du merkst, dass du bei jemandem gegen die Wand läufst, dann denk an den Semmelweis-Reflex. Denk daran, dass das Gehirn deines Gegenübers möglicherweise nicht in der Lage ist, deine Gedankengänge nachzuvollziehen - und lass es gut sein. Versuch nicht gewaltsam, den anderen von deiner Meinung zu überzeugen. Wenn du überzeugen willst, dann lebe es vor. Tu, was du für richtig hältst, und beweise den anderen dadurch, dass es vor deren Augen funktioniert, dass sich bei dir wirklich etwas zum Guten ändert.