Mein großer Sohn kam mal auf die glorreiche Idee, meinen kleinen Sohn dazu anzustiften, rund 1,5kg Speisestärke aus einer Tupperdose in meinen Vorratsschrank (so einen mit Drahtgestell unten und Drahtschublade oben) auszukippen, damit der Kleine schön Ärger kriegt. Das grobe Putzen/Zusammenfegen ging noch, dann hab ich den Rest mit meinem neuen Staubsauger abgesaugt, der den ultrafeinen Speisestärkestaub geradewegs hinten wieder rausgepustet hat - ohne dass ich es merkte. Ergebnis war eine vollkommen eingestaubte Küche, eine vollkommen eingestaubte Sprudel, der halbe Flur hat was abbekommen und nach den 2h Küche putzen war noch 45 Minuten Staubsauger reinigen angesagt. Der Kleine hat dann den Anschiss seines Lebens kassiert - ich war so stinkig, dass der Große ein schlechtes Gewissen bekommen hat. Die Strafe für den Kleinen war, dass er sich zu mir setzen und zugucken musste, bis ich fertig war. Wäre er älter gewesen, hätte er die Sauerei selbst wegputzen dürfen, aber dafür war er auf jeden Fall noch zu klein. Der Große hat sich dann aus Solidarität dazu gesetzt und die Strafe mit abgesessen. Das Sahnehäubchen? Ich hatte erst ein paar Tage zuvor die Küche grundgereinigt, einschließlich Schränke von innen...
Man muss ausprobieren. Vom nachdenken, lesen und schreiben alleine passiert nichts.
Oh Mann! Da weiß ich wieder, warum ich gar nicht traurig bin, dass ich kinderlos geblieben bin. Ich würde vermutlich nervlich am laufenden Band kollabieren. Mich kann der Hund schon in den Wahnsinn treiben und der weiß (noch?) nicht, wie man Schränke öffnet.
Liebe Lesende, kennen Sie Selbstausbeutung? Nicht? Tja, wissen Sie, ich kannte die auch nicht. Bis man mich darauf stieß, mit der (vermeintlich weisen) Nase. Selbstausbeutung, wie das schon klingt. Mein inneres Rathaus ist auf einmal erfüllt von den Klängen dieses Songs, den irgendwer hier drin voll aufgedreht hat und der nun blechern und wie zum Hohn durch die Gänge scheppert. Vom Ende des Korridors her erschallt ein empörtes: "RUHE!!" - aber es dudelt ungerührt weiter.
Das bin also ich. Ein Selbstausbeuter. Mein höchsteigener Sklaventreiber, erlassen von eigenen Gnaden. Ich stelle ihn mir vor. Er sieht ein bisschen aus wie Gunnery Sergeant Hartman, der Drill Instructor aus Full Metal Jacket und ich, also der Rest von mir, ich bin irgendwie Private Paula (oder doch Gretchen Modermöse?), der/die sich abstrampelt, damit das Monster mit dem zu großen Hut endlich mal die Klappe hält. Aber das tut es nicht. Unermüdlich treibt es mich an, weist mich gnadenlos auf all meine vermeintlichen Unzulänglichkeiten hin und zeigt mir in sadistischer Freude meine eigenen Unfähigkeit auf, ihm zu widerstehen. Ich frage mich, wie dieses Wesen in mir entstanden ist? Ist das mein (durch meine überbordende Fantasie) fleischgewordenes Perfektionismusstreben? Ist es die Antwort darauf, dass mir irgenwann auf meinem Weg zum Erwachsenwerden eingetrichtert wurde, dass ich nicht liebenswert wäre? Nicht, wenn ich nicht etwas "Besonderes" leiste, darstelle und bin? Wenn ich nicht perfekt bin? Hartman schnaubt im Hintergrund, flugs schicke ich einen gedanklichen Zensurtroll los, bevor der Kerl sich ergeht, denn wenn ich das hier aufschreibe, was der so vom Stapel lässt, dann werde ich wegen Unflats gesperrt.
Perfektionismus - die Befürchtung, nur dann liebenswert zu sein, wenn man perfekt ist. Was auch immer das bedeuten mag....
Ich habe ziemlich viel darüber nachgedacht in letzter Zeit, über diese Selbstausbeutung. Ich habe mich dabei beobachtet. Wie ich kein Ende finden kann. Oftmals genau deswegen auch nur sehr schwer einen Anfang. Denn mein Gehirn weiß längst, dass der Anfang der Beginn von etwas nur sehr schwerlich Endendem ist. Der Anfang ist der Beginn .... von.... mir fällt die erste Elegie von Rilke ein, einem meiner Lieblingsdichter, welche so beginnt:
ZitatWer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel Ordnungen? Und gesetzt selbst, es nähme einer mich plötzlich ans Herz: ich verginge von seinem stärkeren Dasein. Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen, und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht, uns zu zerstören.
Rilke meinte damit ziemlich sicher nicht den Putzwahn, dem ich viel zu oft erliege, aber es passt dennoch. Denn genau das denkt mein Hirn: Das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang. Zum Beginn der Putzarie bin ich motiviert, es geht mir gut und ich spüre, wie sich ein Gefühl in mir breitmacht, das mir sagt, dass ich der Meister meines Lebens bin. Das ist der Beginn einer Art Rausches, der viel zu oft darin gipfelt, dass ich total erschossen in einer Ecke sitze und noch immer ist das Programm nicht einmal zu 75% abgearbeitet. Dann ist mir zum Heulen, Kotzen und Toben gleichzeitig und ich hasse mein Leben, mich und meine Unfähigkeit. Es ist, als hätte man sich an Schokoküssen überfressen.
Edit: Ich setze hier und für das nachfolgende Posting vorsichtshalber eine Triggerwarnung.(Sprudel)
Über (die) Angst (zu leben)....
Aus aktuellem Anlass - und weil es immer mal wieder gut ist, seine eigenen (alten) Texte zu lesen. Geschrieben von einer Inneren Instanz, die so viel weiser zu sein scheint als man es bewusst wahrnehmen kann. Vielleicht das "Über-Ich" oder auch nur "die Seele" ....
-> [Abschnittszitat aus einem alten Texdokument von mir]
Sucht|Gedanken
Ich bin in der Tat ein klassischer Suchtcharakter. Über die Jahre musste ich feststellen, dass ich anfällig bin für Drogensucht jeglicher Art. (Bis auf Heroin. Zum Glück hing ich, nachdem ich es mal auf einem Kopf im Bong rauchte, den Rest des Tages über der Kloschüssel, was mich wohl vor weit Schlimmerem bewahrte.) Für Beziehungssucht/Liebessucht (was dabei herauskam spottet jeder Beschreibung), Binge Eating (Essattacken/Esssucht) und natürlich –phasenweise- auch für Internetsucht. Mich hat das, wie man sich sicherlich vorstellen kann, ziemlich belastet. Weswegen ich mich irgendwann genötigt sah, mich mit der Problematik zu konfrontieren und mir einige unbequeme Fragen zu stellen. Sucht beinhaltet, meiner Erfahrung nach, immer auch eine Maßlosigkeit, die sich als eines der ersten Symptome zeigt und somit überhaupt erst einmal auf die sich manifestierende Problematik hinweist. Ebenso ist Maßlosigkeit ein Zeichen der Gier. Na prima, ich bin also ein maßloser und gieriger Mensch, das war ja dann mal die Erkenntnis des Tages, die, das muss ich zugeben, meine Laune nicht unbedingt hob.
Nun gut, ich bin also in meinem Suchtverhalten gierig maßlos oder auch maßlos gierig, damit musste ich mich also erst einmal abfinden und ließ meine diversen Suchtkarrieren dann einmal geistig Revue passieren. Wobei mir auffiel, dass diese maßlose Gier nicht homogen, respektive konstant vorhanden war. Es gab immer wieder drogenfreie Zeiten (bis auf Alltagsdrogen wie z. B. Kaffee oder Tee), die vermutlich meinen völligen Absturz verhinderten. Es gab auch immer wieder Phasen in meiner Sucht nach Zuwendung und Nähe, während denen sich das Ganze ins genaue Gegenteil verkehrte und ich es nicht einmal ertrug, auch nur ein Wort mit irgendwem zu wechseln, weil ich das schon als Überforderung empfand. Es gab immer wieder Tage und Wochen, in denen ich überhaupt nichts gegessen habe und selbst das lebensnotwendige Trinken mir vorkam wie eine Riesenüberwindung und regelrechte „Verseuchung“ meines Körpers. Und es gab immer wieder Zeiten, in denen das Internet mir wie ein Spiegel erschien, der die Dekadenz der Gesellschaft um ein Vielfaches potenziert und der bei mir regelrechten Ekel hervorrief.
Und dennoch, immer wieder fiel ich zurück in alte Verhaltensweisen und es schien nur zwei Zustände in mir zu geben, die da hießen, schwarz oder weiß, ganz oder gar nicht. Hinzu kam die Erkenntnis, dass ich irgendwie nach allem süchtig zu werden schien, wonach man süchtig werden kann und in mir manifestierte sich zunehmend der Verdacht, es hier nicht mit etwas zu tun zu haben, was man in seine Einzelteile zerlegt zu betrachten hätte, sondern um eine grundlegendere Geschichte, einem grundsätzlichen Mechanismus, der immer dann zuschlug, so ich an einer Sache im Anfang Freude fand. Ich erinnerte mich an die Elegie von Rilke, die den schönen Satz enthält: „Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang.“ – Ja, reißt man diesen Satz aus dem Kontext und stellt ihn in den meiner Multisüchte, so ist er genau das, was all das perfekt in sich zu vereinen scheint.
Zum Zeitpunkt der oben geschilderten Überlegungen, hatte ich schon unzählige Versuche hinter mir, mich irgendwie zu konditionieren, was meistens Zwang bedeutete, den ich ausübte, indem ich versuchte mein Essen mir per Plan zu rationieren oder indem ich einfach nicht das einkaufte, was ich eigentlich gerne esse. Ich stellte mir einen Wecker neben den Rechner und protokollierte akribisch meine im Netz verbrachte Zeit. Ich untersagte mir zu „nahe“, zwischenmenschliche Kontakte und brach diverse Freundschaften in unschöner Weise ab, indem ich schlicht jeden weiteren Kontakt verweigerte/einstellte und auf nichts mehr reagierte. Und so könnte ich die Liste meiner, mehr oder weniger erfolgreichen aber immer zeitlich begrenzten, Teilerfolge im Kampf mit meinen Süchten noch schier endlos fortsetzen. Um es kurz zu machen, es funktionierte nicht, jedenfalls niemals nachhaltig und so saß ich, wütend auf mich selbst und ziemlich hilflos, in einer Situation fest, die mich mir selbst als eine Person zeigte, die ich eigentlich nicht sein will. Ein Junkie nach Futter, nach Zuwendung, nach Nähe, Anerkennung, Kommunikation und der Möglichkeit, sich via Substanz, zumindest zeitweise, aus dem Leben auszuklinken. Herzlichen Glückwunsch, wer erschießt mich jetzt bitte mal? Das war der Status Quo und das für eine ganze Weile. Irgendwann war ich wie gelähmt. Egal wie ich mich auch in meinem Leben bewegte, ich stieß andauernd mit meinen eigenen Regeln zusammen, die ja eigentlich mich zum Leben wieder hinführen sollten, so wie ich es mir vermeintlich als lebenswert ausmalte.
Ich diesem, ich nenne es einmal meinem „Lebensentwurf“, war ich eine gertenschlanke, fast schon asketische Person, die bei näherer Betrachtung so gar nichts mit dem Menschen gemein hatte, der ich zu jenem Zeitpunkt tatsächlich war. Dieses Idealbild diktierte mir die Regeln, die ich, das dicke, dusselige, suchtverseuchte Etwas, in zwanghaft schamhafter Hilflosigkeit zu befolgen suchte, nur um immer wieder daran zu scheitern und mich so immer mehr von meiner eigenen Minderwertigkeit zu überzeugen. Ich befand mich in einem Perpetuum Mobile des Selbsthasses, welches ich dadurch aufzulösen suchte, indem ich das Korsett der Regeln immer enger schnürte. Im Nachhinein ergibt das ein fast schon tragisch komisches Bild, eines Menschen, der sich in regelrecht hingebungsvoller Art und Weise sein Dasein verleidet. Es war wirklich zum Heulen und nicht einmal das brachte ich über mich, so völlig eingeschnürt wie ich mich innerlich hatte.
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Es dauert mitunter lange bis einem der Kragen platzt, aber wenn er das tut, dann ist das meistens sehr befreiend. Es begann eigentlich mit der Erfahrung, die ich als Gotteserfahrung, ja als Gnade definiere, die man aber auch ebenso gut als inneren Zusammenbruch der eigenen Abwehr betrachten und den psychischen Phänomenen zuordnen könnte. Die Fesselung brach zusammen, wurde gesprengt, der Druck war zu groß geworden – ich gab auf und damit nach. Über mich ergoss sich eine unglaubliche Menge an aufgestauten Emotionen, all das, was ich mir seit Jahren so rigoros versucht hatte abzuklemmen und was dazu geführt hatte, dass ich mich als nahezu gefühllos empfand, schwappte über mich hinweg wie eine gewaltige Welle und ließ mich tränenüberströmt am Boden kauernd zurück. Und das wovor ich die ganze Zeit solch unfassbare Angst gehabt hatte, nämlich dieser Zusammenbruch, hinein in mein eigenes Selbst, entpuppte sich als Beginn meiner Heilung.
Ich stand vom Boden auf, fiel fast wieder hin und nachdem ich mich schließlich mit dieser neuen, so unglaublich ‚ganzen’ Wahrnehmung meines Körpers etwas vertraut gemacht hatte, begann ich die Jahre zu reflektieren. Hinterfragte erstmals dieses Ideal, diese konstruierte Person, deren Diktat ich mein Sein so lange unterworfen hatte.
Zuerst einmal stellte ich fest, dass dieses Idealbild zwar auf den ersten Blick der gesellschaftlichen Norm von Schönheit und charakterlicher Makellosigkeit sehr viel näher zu kommen schien, als die Person, die ich nun einmal bin. Dass aber all diese ihr zugeordneten Eigenschaften, sie trotz allem nicht zum Leben erwecken konnten, bzw. es einen Grund geben musste, warum ich dieses Ideal in mir nicht verwirklichen konnte. In Zeiten, in denen Schönheitschirurgen existieren, die aus einem Haufen Matsch wieder ein Gesicht zaubern können, scheiterte ich schon an der puren Reduktion meines Körpergewichtes, während ich davon träume, mich zurechtschneiden zu lassen. Aber halt, das stimmte so ja auch nicht, denn meine Gewichtsschwankungen waren halbjährlich ganz erheblich. Ich war in der Lage, mein Körpergewicht innerhalb von einigen Wochen um zweistellige Kilozahlen abzusenken, indem ich das Essen völlig einstellte, das Trinken ebenfalls weitestgehend und mich ansonsten fast den ganzen Tag bewegte. Solcherlei Rosskuren verpasste ich, leichtsinnig wie ich war, meinem Körper über Jahre hinweg, immer mal wieder. Es hinterließ schreckliche Spuren und die letzte, im Jahr 2007, hätte mich fast umgebracht.
Nach diesen Hungerphasen, folgten dann die gewaltigsten Fressattacken, die dafür sorgten, dass ich das verlorene Gewicht, ebenso wieder innerhalb von Wochen, wieder auf den Hüften hatte und meist noch ein paar Kilos obendrauf. Das Einzige was für mich daran wirklich verwunderlich war, war die Tatsache, dass ich das nicht via Erbrechen verhinderte. Es war mir unerklärlich, wie ich mich zwar einerseits mit heftigstem Fasten und regelrechtem Vergiften meines Körpers - durch mangelndes Trinken – und somit Dauerübelkeit und rasenden Kopfschmerzen, arrangieren konnte, mich aber scheute, mir einen Finger in den Hals zu stecken oder auch nur Abführmittel einzunehmen. Rein logisch betrachtet, gab es dafür keinerlei Erklärung. Aber Süchte sind nicht logisch, bzw. sie besitzen eine ganz eigene Art davon und wenn man diese entdeckt, kommt man der Lösung ein bedeutendes Stück näher.
Die Logik, respektive der Sinn meiner Fresssucht, lag also nicht in der Gewichtsreduktion, bzw. hinter dem reinen Verstecken hinter einem Fettpanzer, den ich mir nach Rosskurreduktion in Nullkommanix wieder anfraß, sondern im Zusammenspiel von beidem, besser gesagt, in der Quälerei als solches, der Autoaggression. Ich begann erstmals in meinem Leben, den Blick nicht mehr auf das Ideal zu richten um ihm verzweifelt hinterher zu hecheln, sondern richtete den Fokus auf die Person, die da wirklich in der Tretmühle ihrer eigenen Vorgaben sich zu Tode strampelte, nämlich mich selbst im ganz normalen Alltag. Hörte auf, zu fragen, wer oder was ich sein möchte und begann zu beobachten, wer oder was ich eigentlich bin.
So entdeckte ich, dass die Fressattacken (bei denen ich oftmals noch während ich den Mund voller fettiger Speisen hatte, meinen Ekel niederkämpfen musste um weiterstopfen zu können) immer dann auftraten, wenn ich inneren Spannungszuständen unterlag, die ich anders nicht zu kanalisieren vermochte. Früher hatte ich mir mit einem Nagelknipser die Fußsohlen gehäutet. Das war zu Zeiten meiner Angstattacken, die so heftig waren, dass ich mich schlussendlich über Stunden im dunklen Klo einschloss, da das Sonnenlicht mir unglaubliche Panik verursachte. Die Logik hinter dieser Aktion war so einfach wie gruselig, mit Fußsohlen aus blankem Fleisch, hatte ich die perfekte Legitimation, nicht vor die Tür zu gehen, denn ich konnte ja kaum laufen. Es gab auch einmal eine Phase, in der ich mir Kanülen in die Haut stach, in Brust- und Schambereich, auch hier gab es eine Logik, Scherzen gegen körperliche Nähe. So musste ich mir nicht eingestehen, dass ich diese immer weniger ertragen konnte.
Die Essattacken mussten also auch etwas in dieser Art bezwecken. Fressen gegen die Selbsterkenntnis, bzw. gegen ein sich Eingestehen von etwas, zu dem ich nicht fähig war.
Und mir schwante immer mehr, dass ich mich den Wesenskern dieser so irrsinnigen Tretmühle begann anzunähren. Mir wurde gewahr, warum ich nicht kotzen wollte. Nicht nur, weil es bei den Fressattacken vorrangig um die Schmerzen ging, die mir ein zum Zerreißen voller Magen bescherte und die gnädig alles andere übertünchten, so auch die innerliche Anspannung, nein, ich wollte auch wieder fett werden und das möglichst schnell, denn ich hatte in diesem Mechanismus das perfekte Modell entwickelt, das es mir ermöglichte, mich immer weiter zu quälen. Denn auf das wieder fett Sein, folgte alsbald, immer dann wenn ich Gefühle wieder etwas mehr zuließ hinter meinem Fettpanzer, hinter dem ich mich sicherer fühlte, denn SO würde mich schon keiner lieben wollen (und paradoxerweise war es gerade das wonach ich mich sehnte), die nächste Abwehrreaktion, nämlich das Fasten, das in seinen Schmerzen und in seiner Intensität, mir diese Gefühle wieder nachhaltig verleidete, da mir das auf die Dauer viel zu viel wurde. Also wieder Fressen. …
Was ist die Binge Eating (die FressSUCHT)? Sie ist der innere Feind. Der Teil in einer Persönlichkeit, der es nicht ertragen kann berührt zu werden und daraus Auswege sucht. Ihre List ist es, sich so zu tarnen, dass sie als Ideal erscheint, als die ‚bessere Person’ die man sein könnte und, dass man der Annahme unterliegt, dass, gäbe man dieses Ideal auf, sich in ein Nichts auflösen würde. Man ist süchtig, also abhängig - und wünscht sich doch autark zu sein. Man brennt in verzweifelten, hilflosen Emotionen und im Kern des Selbst befindet sich der Südpol, der –unberührbar- das innere Kind erfrieren lässt. Sie ist keine eigentliche Krankheit sondern Identitätsstifter und das ist ihre eigentliche Macht und gleichzeitig ihre Ohnmacht. Sie ist ein Teil des eigenen Selbst, der sich zum despotischen Herrscher aufschwang, der alles andere in der inneren Welt in Sklaverei und Knechtschaft unterwirft.
[/Ende Zitat]
....
Ich habe meine Binge-Eating verlagert. Diese Instanz des inneren Feindes, der alles Mögliche werden und sein kann (von der Borderlinediagnose, über die generalisierte Angststörung, bis zur Major Depression), jedoch immer destruktiv. Wieder einmal. Jetzt bin ich quasi "putzsüchtig". Und der "despotische Herrscher" ist der Drill Instructor. Vor genau 20 Jahren war ich schon einmal so weit. Ich werde ihn nicht los. Es ist besser geworden. Viel besser. Aber er ist noch immer da.
Und ich werde wieder einmal nach Lösungen suchen.
Wie immer.
Und ja - es ist eine Sucht.
Die Sucht sich das Leben zu verleiden - durch Süchte. Und quasi alles lässt sich zum Suchtstoff mutieren.
Herzlichen Glückwunsch.
Willkommen zurück, ihr alten Kellergeister. Na wenigstens kenne ich den "Feind", dem ich jetzt wieder einmal gegenüberstehe. Ich kenne ihn so gut.
Der Suchtmechanismus (weitere Zitate aus Texten von mir, die ich öfter lesen sollte)
Das war sie also, die Antwort auf all meine Fragen nach dem Warum. Die im Grunde lautete, dass mich ein Teil meiner Persönlichkeit regierte, der alles dafür tun würde, um zu verhindern, dass er (emotional) berührt würde und der eine so starke Position in meinem gesamten Sein erlangt hatte, über die Jahre, dass er dazu sich meines gesamten geistigen sowie körperlichen Potentials bedienen konnte. Das erklärte auch, warum die Arten der selbstquälerischen Aggressionen zwar unterschiedlich waren, ihre grundsätzliche Funktion und das Ergebnis jedoch gleich. Potential wurde gebunden, Lebenspotential – denn zu leben, im Sinne eines erfüllten Lebens, bedeutet ja gerade den Genuss sich berühren lassen und es zu genießen, berühren zu können. Zusammenfassend ergab sich daraus das Bild, dass all die Dinge an denen ich litt, diese ganzen Süchte, Ängste, Aggressionen (die sich nach innen und außen richteten) und all die anderen zwanghaften Kämpfe, die ich mit mir selbst und der Welt austrug, all die Regeln, gemacht um einem nie erreichbaren Ideal hinterher zu strampeln, dem tiefen Wunsch dieses Teiles meiner selbst entsprangen, unberührt und ungerührt zu bleiben; und sich diesen Wunsch immer wieder neu durch Schmerz zu legitimieren, sowie, ebenfalls durch Schmerz, jedoch körperlicher Natur, den inneren Schmerz der ungestillten Sehnsucht nach wirklicher Nähe und damit Leben, zu überdecken.
Mir kam der Gedanke, dass ich nun die Erklärung hatte, dafür, warum die Sucht keine Krankheit ist und streng genommen, jeder Mensch zum Suchtcharakter neigt, so er Berührungsängste aufweist. Denn einen solchen Teil im eigenen Innern, der sich fürchtet verletzt zu werden, hat vermutlich jeder Mensch. Jetzt stellte sich mir die Frage, was genau dazu führte, dass dieser Teil solch unheilvolle Macht erlangen konnte, so sehr zum Monster wachsen konnte, dass er alles andere seinem Willen zu beugen in der Lage war? Und, viel wichtiger, was genau dieser Teil eigentlich ist? Und schlussendlich, wie bekomme ich ihn wieder dazu, seine ursprüngliche Funktion einzunehmen indem er wieder die passende Größe und Priorität in meiner Gesamtperson erhält? Denn, dass ich ihn nicht würde entfernen können, ergab sich rein logisch. Ich wollte mich ja nicht amputieren sondern heilen.
Die Antwort, warum die erwünschte Unberührbarkeit in mir so groß wurde, war relativ leicht gefunden, es war mir einfach sehr oft passiert, dass Berührung mich verletzte. Ja, ich mich emotional, geistig und körperlich, als vergewaltigt und missbraucht erlebt und empfunden hatte. Und je öfter es passiert war, umso größer der Wunsch, dies endlich nachhaltig verhindern zu können. Diese Aufgabe hatte ich, einmal ganz nüchtern betrachtet, durch die Süchte, respektive der Regentschaft dieses Persönlichkeitsanteils, absolut perfekt gemeistert. Dabei war zwar einiges auf der Strecke geblieben, um nicht zu sagen fast alles, aber die grundsätzliche Aufgabenstellung war dennoch mit Bravour bewältig worden. Das legte den Verdacht nahe, es in dem jetzigen (Lebens)-Feind, im Ursprung mit etwas durchaus Hilfreichem zu tun gehabt zu haben.
++++
Im Versuch, einen klaren Zeitpunkt einzugrenzen, wann das alles angefangen hatte, landete ich, es mag kaum überraschen, in frühester Kindheit, wo die ersten dieser autoaggressiven Handlungen darin bestanden, mir die Haare in Büscheln auszureißen und in einem Hospitalismus zu versinken, der sich so gestaltete, dass ich sitzend, über Stunden mit dem Oberkörper vor- und zurückwippte. Mal mit Musik dazu, mal ohne. Ich verbrachte ganze Tage im Heizungs- bzw. Kartoffelkeller, nur ich und mein kleiner Kassettenrecorder und die stibitzten Modemagazine der Nachbarin, in denen ich mir die Garderobe zusammensuchte, für meine Prinzessinnenträume in einem gewaltigen Phantasierreich, das nur mir gehörte und in das ich mich bei jeder sich bietenden Gelegenheit zurückzog. Ich erinnerte mich, dass ich mich als Kind so unendlich alleine gefühlt hatte, umgeben von Feinden die mich zwingen wollten, so zu sein wie sie mich gerne hätten und dass ich keinen Menschen hatte, zu dem ich mich hätte flüchten können, denn sie waren überall.
Als ich dann das Sprechen einstellte und von Arzt zu Arzt geschleppt wurde, war ich mehr denn je überzeugt, nur tief in meinem Innern noch Zuflucht nehmen zu können, was ich dann auch tat. Und während ich mich, durchflutet von heißen Tränen, an dieses zutiefst einsame und verzweifelte Kind das ich war, zurückerinnerte, da begann mir zu dämmern, dass dieses Kind, das sich damals der Welt abwandte und sich zurückzog hinter die elementaren Mauern seiner Phantasie, diese innere Welt nie wieder verlassen hatte. Dieses Kind, das immer meinte, etwas Besonderes, eine Prinzessin sein zu müssen, dann würde dieser Alptraum vielleicht endlich enden, denn dann würde sich vielleicht endlich, endlich jemand finden, der es so lieben würde wie es war. Dieses Kind, das sich einmauerte und Stein um Stein hinzufügte im Lauf der Jahre. Denn es fand sich keine Seele.
Und es vergaß über die Jahre, wie Wärme sich anfühlt und die Sonne. Es blieb dort, tief im Innen eingemauert und bewahrte mich so, den Menschen und mein tiefstes Wesen, vor dem Zerbrechen an seinem Lebenslauf. Nichts konnte hinein, aber es auch nicht hinaus. Zeit existierte nicht in dieser Welt des Kindes und als mich die Erkenntnis traf wie ein Hammer, nämlich die, dass dieser Teil trotz Therapien und dem ganzen Gedöns, niemals erwachsen geworden ist, denn ich war noch nie wirklich zu ihm durchgedrungen, hatte diese Erkenntnis noch nie derartig intensiv zulassen können, da verstand ich ihn auf einmal auf wundersame Weise. Ich hatte es hier mit dem elementarsten Schutzmechanismus zu tun, den ein Mensch besitzt, der Möglichkeit, eine Mauer um den innersten Kern seiner Psyche zu erbauen, um so den Wesenskern zu schützen. Dieser Teil von mir, bestand nicht aus einer Komponente, sondern setzte sich zusammen aus allen Komponenten meines Seins, quasi eine ganze Armee um mich abzuschotten, was auch erklärte, warum er Zugriff auf all meine Wesensmerkmale hatte und diese für sich einspannen konnte. Ich hatte nie aufgehört dieses Kind zu sein und genau darum, blieb dieser Schutzmechanismus all diese Jahre intakt.
Eigentlich hatte ich mir das Erwachsenwerden, bzw. das Erwachsensein, immer als etwas vorgestellt, was einen zu etwas macht, das ich nicht unbedingt für erstrebenswert hielt. Das allseits bekannte Spießbürgertum, das Festfahren von Ansichten und Lebendigkeiten. Und so erschien mir der Begriff „Erwachsen“ auch immer etwas suspekt. Lieber rechnete ich mich der Fraktion derer hinzu, die das Kindliche in sich bewahren konnten, allerdings ohne zu ahnen, dass ich einem grundsätzlichen Irrtum in meiner Betrachtungsweise aufsaß, was mir allerdings auch erst aufging, nachdem ich zu besagtem inneren Kind in mir durchgedrungen war; und zum ersten Mal das, was da all die Jahre in mir geschehen war, bzw. nicht geschehen war, gänzlich erfassen konnte.
Ich sah mich unvermittelt der Tatsache gegenüber, dass sich tief in mir, seit ca. 30 Jahren nicht mehr das Geringste bewegt hatte. Dass da ein Wesen kauerte, eingemauert bis über beide Ohren, das völlig gefesselt und geknebelt, verschanzt hinter seinem elementaren Abwehrmechanismus, die tiefgreifendste Lebensverweigerung betrieb, derer ein Mensch fähig ist. Und, dass das was ich ursprünglich als Persönlichkeitsanteil angesehen hatte, nämlich der Abwehmechanismus dieses eigentlichen, des kindlichen Teils meiner selbst, nichts weiter war, als eine ausgesprochen skurrile Beschäftigungstherapie, die diesen Umstand all diese Jahre verschleiert hatte. Ich habe mich lieber fast umgebracht, bevor ich es zulassen konnte, diesen zu tiefsten, den innersten Teil, zu erkennen und anzurühren.
Ich habe zwar das innere Kind bewahren können, aber in einer Form, die jegliches Leben rigoros verweigert. In mir begannen sich viele Dinge neu zusammen zu fügen, ich reflektierte all mein Tun erneut und auf einmal ergab alles Sinn, erhielt eine schier bestechende Logik, die ich tränenüberströmt erkannte und endlich, endlich annehmen konnte als das was sie ist, meine grundsätzliche Wahrheit.
Als Erwachsener, der man nun einmal meint zu sein, sieht man sich bei einer Sucht, egal welcher Art diese nun auch sein mag, in einer grotesken Situation. Man weiß erfahrungsgemäß und rational vollkommen genau, dass das was man sich da antut, einen selbst, bzw. das eigene Leben unmittel- oder mittelbar zerstört. Maßlos und von einer unerklärlichen Gier getrieben, fährt man selbst dann mit seinem Tun fort, wenn der Stoff dieser Sucht, sei es nun Essen, Substanzen, die Jagd nach Liebe und Anerkennung oder auch das Internet, schon längst zum vermeintlichen Fluch geworden sind und das was im Anfang noch Genuss bedeutete, schon längst zu einem schamhaften, zwanghaften und/oder gewohnheitsmäßigen Mechanismus mutierte, dem man in Ermangelung von Alternativen und dem daraus entstehenden Druck, dem sogenannten „Suchtdruck“, irgendwann nachgibt.
Dabei machen Multisüchtlinge nicht selten die Erfahrung, dass just, wenn sie sich mühevoll von einer Sucht meinen befreit zu haben, alsbald schon die Nächste auftaucht und zwar genau in dem Moment, wenn sie an irgendetwas Freude finden, was dann exzessiv betrieben, kein Ende finden könnend, wider aller Logik und selbst auferlegten Zwangskorsetten an Regeln, zum nächsten Horror wird. „Denn das Schöne, ist nichts, als des Schrecklichen Anfang.“ Das ist er, der Mechanismus der Sucht! Nichts mir Bekanntes, fasst ihn so schön in sich, wie dieser Satz von Rilke, der mich seit Jahren schon begleitet. Und es gibt exakt zwei (Auf)-Lösungen für ihn ~> entweder ganz – oder gar nicht. Ein solcher Suchtcharakter, wie ich einer bin, wird entweder all seine Süchte los, oder nicht eine Einzige davon.
Das bedeutet konkret, dass ich entweder den grundsätzlichen Mechanismus entschlüssele und damit die Macht der Sucht brechen kann. Oder aber ich ziehe das Regelkorsett immer straffer und betreibe ein Vermeidungsverhalten, das mich am Ende zur lebenden Salzsäule erstarren lassen wird.
Man macht sich wohl seine Vorstellungen, wie man denn als „Erwachsener“ so zu sein hätte und meistens bekommt man es auch recht gut hin, eine sehr „erwachsene Vorstellung“ seiner Selbst zu entwickeln und diese dann zur Schau zu tragen. Solange das funktioniert, gibt es auch keinen Grund all dies in Frage zu stellen. Es sei denn, man legt auf einmal selbstschädigende Verhaltensweisen an den Tag, die so rein gar nicht in dieses erwachsene Bild passen wollen und die geprägt sind von einer Art verzweifelten, schamhaften Ohnmacht, die einem das Gefühl vermittelt, sich selbst zuzusehen, wie man sich und sein Leben auf Raten sabotiert und sich gleichzeitig völlig außerstande sieht, sich dieses Gebaren vernünftig zu erklären oder es gar zu beenden.
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Das alles (der innere Feind alias elementarer Abwehrmechanismus) in mir erschaffte im Übrigen auch meine chronische Schmerzerkrankung (Fibromyalgie). Wen wundert das noch? Mich nicht.
Das Suchtgebäude – wenn (m)ein inneres Kind (s)eine Welt erklärt
Wer einmal erlebte wie Kinder spielen, der weiß, dass ein Kind kein Maß kennt. Es wird die Zeit vergessen und sich völlig dem Spiel hingeben, von welchem es sich völlig einvernehmen lässt; in dem es in voller Begeisterung aufgeht. Es wird nicht essen und nicht trinken und meistens ist es nur der strenge Ruf der Mutter, der es widerwillig sein Treiben unterbrechen lässt. Wer einmal ein Kind beobachtet hat, wie es sich über eine süße Leckerei hermacht, auch der weiß, dass ein Kind maßlos ist, denn es ist noch nicht konditioniert. Weiß nichts von Übergewicht, Karies und all den Unbill, die dieser Genuss nach sich ziehen könnte. Völlig selbstvergessen schwelgt es, mit strahlenden Augen und manchmal über und über bekleckert, in diesem süßen Traum, den es ohne jede Tischmanieren in seinen kleinen Mund stopft. Wer einmal erlebte, wie ein Kind trauert, der hat einen kleinen Weltuntergang live erlebt, denn ein Kind hat keinen Impuls sich zu beherrschen, noch nicht. Dies alles ist ein normales Kinderleben, eine kleine Seele, so wie sie sein soll, ein noch weitestgehend unbeschriebenes Blatt, das alles was es tut, aus vollstem Herzen macht.
Und wenn es ein fröhliches Kinderleben lebt, so wird es in Kindertagen viele endlose Stunden damit zubringen in seinem Kindsein in Lebensfreude zu schwelgen, auf diese selbstvergessene Art zu spielen, sich schmutzig zu machen, begeistert zu naschen, manchmal zu weinen, trauern und dennoch, immer wieder die Erfahrung zu machen, dass alles wieder gut wird. Ja, und irgendwann, wenn sich diese so unbeschwerte Zeit dem Ende neigt und in die Jugend übergeht, wird es beginnen diese Selbstvergessenheit abzulegen und damit das Ende einer Kindheit einläuten, an die es sich später mit leiser Melancholie und im Großen und Ganzen gerne erinnern wird. Es hat diese, seine Kindheit ausgekostet, sich gesättigt und vollgesogen wie ein Schwamm, an all den Eindrücken, die nur die Kindheit mit ihrer Selbstvergessenheit in dieser Reinheit und Fülle zu bieten vermag.
Was aber geschieht mit einem Kind, so es seiner Kindheit beraubt wird? Wenn seine Selbstvergessenheit bestraft und dieses kleine, so schutzlose, da völlig arglose Wesen, für Zwecke missbraucht wird, die es nicht nachzuvollziehen weiß? Wenn ihm Regeln aufgezwängt werden, die es nicht versteht und Dinge, die wehtun? Wenn es schon früh die Erfahrung macht, nicht willkommen zu sein und nicht liebenswert? Wenn ihm sture Funktion abverlangt wird in permanenter Überforderung, die es verzweifelt zu erfüllen sucht, in seiner naturgegebenen Hoffnung auf etwas Zuwendung und Wärme? Und es doch immer wieder nur erfährt, dass es nie genug ist – es nie gut genug ist um endlich, endlich sich glücklich irgendwo einkuscheln zu dürfen, wo es sich in liebevoller Umarmung wiederfindet?
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Mit der Zeit verlieren wir die Fähigkeit um die Ecke zu denken. Diese leise Magie, die für Kinder so selbstverständlich zu sein scheint, die noch an den Weihnachtsmann oder den Osterhasen glauben. In einer, auf Effizienz und Geschwindigkeit getrimmten Welt, bleibt scheinbar keine Zeit für infantile Träumereien und so vergessen wir die Logik unserer Kindheit. Vergessen, dass für uns als Kinder, Dinge existierten, die wir später maximal noch milde belächeln. Das Monster unter dem Bett, der unsichtbare Freund im Schrank oder die Schmetterlingsfee auf der Fensterbank zwischen den Veilchen. Wir vergessen, welche gewaltige Macht unsere Phantasie darstellt und, dass sie in Kindertagen, wo sie noch alles durchdringt, eigentlich die Macht schlechthin in einer Kinderseele darstellt.
Wenn ein Kind nicht Kind sein darf, so bedeutet dies im Grunde, dass es um all diese wunderbaren Erfahrungen betrogen wird, die es, geleitet von seiner kindlichen Neugier und naturgegebenen Sehnsucht nach Leben, in wundervollster Selbstvergessenheit und damit Intensität, würde erleben können. Sein ganze Potential ist darauf ausgelegt, sich in dieser frühen Phase seines Seins, an der Fülle des Daseins zu erfreuen und, quasi nebenbei, viele wichtige Dinge für sein späteres Leben zu erlernen. Es ist wie ein weißes, unbeschriebenes Blatt, welches das Leben einladen soll, seine ersten liebevoll-spielerischen Kringel und Zeilen darauf zu malen. Es ist voller Phantasie und beseelt von einer Logik, die alles mit neuen Kreationen zu erklären vermag, die diesem schier unerschöpflichen Quell an Lebenslust und Entdeckergeist entspringen. Seine Welt ist voller Wunder und Geheimnisse, die es mit großen Augen und tastenden Händen zu erfassen versucht.
Und es wird sich der Mittel bedienen, die ihm zur Verfügung stehen, wenn etwas schief läuft. Seiner ureigenen Logik folgend, wird es sich dorthin flüchten, wo es sich sicher fühlt vor dem, was es da so unerwartet betrügt und angreift, zwingt und verängstigt. Es wird sich dorthin wenden, wo alles gut ist und wo der Quell dieses Guten entspringt, seiner Phantasie in seiner Innenwelt. Und je extremer es von außen sich bedrängt sieht, umso tiefer wird es sich zurückziehen, dorthin, wo es die letzte sichere Bastion meint wahrnehmen zu können, in sich. Jede Enttäuschung oder Ablehnung, jede Verletzung wird es weiter hineintreiben in eine Welt, wo es alleine ist mit sich und seiner Phantasie, die ihm die Welt entwirft, die es sie sich eigentlich gewünscht und auch verdient hätte. Denn es weiß instinktiv, dass es noch etwas anderes geben muss, als diese Hölle, in der es sich unvermittelt wiederfand.
Ich habe also die Antworten gefunden. Dass nämlich, vor all diesen langen Jahren, ein kleines Mädchen derartig verletzt war, dass sie sich des einzigen Schildes bediente, das sie zu ihrem Schutz hatte, ihrer Phantasie, tief im Innen. Dorthin ging sie also und blieb das Kind das sie war, über all diese Jahre. Und während der Alltag die Person formte, die, beraubt ihres eigentlichen Seins sich immer mehr begann in den Kämpfen auf zu reiben, die sie sich durch den Abwehrmechanismus dieses unerkannten und verschanzten Kindes im Inneren immer wieder neu herstellte, blieb eben dieses Kind ungerührt und unberührt, so wie es gewollt und gewünscht war, damals, als es sich aus der vermeintlichen Hölle der Kindertage hinter diese Abwehr flüchtete. Ich kämpfte mit den Süchten, mit dem Abwehrmechanismus meines eigentlichen Seins und erschaffte mir dadurch einen Lebenslauf der Extreme, denn ich bekam nie genug und ging immer und grundsätzlich bis zu Äußersten, in der unbewussten Hoffnung, den Abwehrmechanismus so endlich durchbrechen, endlich wirklich leben zu können.
Es ist keineswegs erhebend, mit weit über dreißig, fast vierzig Jahren (Anmerkung: Aus dieser Zeit stammt dieser Text, heute bin ich 46), irgendwann festzustellen, dass man im Grunde seines Wesens ein verängstigtes und verletztes Kind ist, das sich dem Leben verweigert. So viel lieber würde man sich als Respektsperson erleben. Als smart, überlegen und lebenserfahren. Jedoch nicht als Kleinkind, gefangen in Ohnmacht, Trauer, Wut, Schmerz, Trotz und Angst. Es fiel mir schwer, verdammt schwer, diesen Brocken zu schlucken. Als ich ihn dann allerdings so halbwegs unten hatte, wurde ich mir zunehmend gewahr, dass es in diesem Falle nicht um ein Entweder/Oder ging, sondern durchaus ein Sowohl als Auch vorhanden war, bzw. ist. Denn exakt durch diese nie gestillte Sehnsucht, die daraus entstehenden Kämpfe, war ich zwar einerseits dieses Kind geblieben, verbarrikadiert im Innen, aber ebenso war ich diese Person, die all dies überlebte, überstand und meisterte und somit war ich ohnmächtig und mächtig zugleich. War hilflos und dennoch kampferprobt. War klein und eingemauert aber auch erfahren und befreit jeglicher Konventionen. Ich war sowohl das ewig gefesselte Kind als auch die längst befreite Erwachsene.
Der Abwehrmechanismus tief in mir, hatte nicht verhindern können, dass die Sehnsucht nach Leben, der Wunsch danach, wie ihn dieses Kind so stark in sich getragen hatte als es sich einschloss, mit konserviert wurde. Und so entstand ein paradoxes Perpetuum Mobile der Selbstflucht, vor der Erkenntnis was da im Innen eingeschlossen war, und der gleichzeitigen, nie erlöschenden Sehnsucht, eines um seine Kindheit gebrachten Kindes. Nun hatte ich also die Erklärung für meine Multisüchte, die ich jetzt endlich formulieren kann.
Wollte man versuchen, sich Sucht mit erwachsener Logik und Rationalität zu erklären, so käme man entweder zu dem Ergebnis, dass es in Süchten keine erwachsene, rationale Logik gibt; oder aber zu einem theoretischen, psychologischen Erklärungsgebäude, was vom wortstämmlichen "Siechen" einen hin zur "Suche" nach irgendetwas Ominösem geleiten, aber in der Praxis kein Stück weiterhelfen würde. Den Spaß hatte ich mir bereits Jahre gegönnt und zum Thema Sucht, jede Menge Doktoren, Professoren und selbsternannte Gurus gelesen, die zwar alle wirklich hübsch schwurbeln konnten, aber vermutlich selbst niemals süchtig waren. Wären sie das nämlich gewesen, dann hätte ihnen auffallen müssen, dass all das kluge Gerede von Ersatzhandlungen, Störungen, Verlagerungen und möglichen Konditionierungsmodellen, sich zwar nett macht auf dem Papier, jedoch ansonsten dessen Wertes, also des Papiers auf dem es gedruckt steht, eigentlich nicht würdig ist.
Verabschieden wir uns also von der ach so erwachsenen Bertrachtungsweise, die nur in eines mündet, die totale Hilflosigkeit, im Angesicht von etwas, das sich erwachsen nicht erklären lässt. Das liegt schlicht und ergreifend daran, dass es nicht erwachsen ist. Sucht ist keine erwachsene Verhaltensweise. Sucht ist nichts anderes als die vollkommene Selbstvergessenheit, die einen im Moment der Suchthandlung überkommt. Sie ist das, was das Kleinkind tut, wenn es sich das Süße mit vollen Händen in das Mündchen schaufelt oder auf dem Spielplatz die Zeit vergisst. Süchtig werden jene Menschen, die ein inneres Kind in sich tragen, das, seiner Kindheit (und der damit einhergehenden, selbstvergessen intensiven Eindrücke) beraubt, nicht erwachsen werden konnte und es jetzt nicht will, denn ein Teil seiner selbst will diese Kindheit er-leben und fordert sein Recht. Dieses Kind, was dort eingeschlossen wurde zum Schutz, es ist noch immer dieses Wesen, dass nach Erfahrung sich sehnt, je intensiver umso besser, denn so sind Kinder nun einmal. Sie sind unbelastet und selbstvergessen, das ist ihre Natur. Und all die Verbote und das Empfinden, sich rigiden Regeln ausgesetzt zu sehen und Forderungen die unerfüllbar sind, trieben dieses Kind erst dort hinein, ins Innen.
Und wer jetzt noch nicht begriffen hat, warum Sucht nicht zu heilen ist, indem man (sich selbst und damit dem inneren Kind) Regeln und Verbote aufstellt, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.
Hat man erst einmal erkannt, dass der zugrunde liegende Suchtmechanismus, eigentlich nichts weiter ist, als das innere Kind, welches, zwar eingesperrt im Innen und vielleicht auch verleugnet und somit weitgehend unbewusst, dennoch seinen Einfluss manifestiert um, von seiner Warte aus, seine entgangene Kindheit nachzuholen, so wird es einem vielleicht möglich sein, all sein Handeln, was man als Erwachsener nicht verstehen konnte, nun mit den Augen dieses Kindes zu betrachten; was einem dann eine nahezu bestechende Logik erschließen wird. Es eröffnet sich zuerst einmal die Erklärung, warum alle Vernunft scheitern muss, ebenso wie alle Verbote und Regeln, denn diese Erziehungsunfälle haben ja erst dazu geführt, dass man dieses Wesen in sich trägt.
Indem man also versucht, sich selbst in einer Art und Weise zu erziehen, der man als Kind schon ausgewichen ist, muss einem unweigerlich aufgehen, dass "mehr vom Gleichen", einen mit Sicherheit nicht zum Erfolg führen wird. Möglich dass man kurzfristige Erfolge erzielt mit dieser Zwangsbehandlung, aber irgendwann ist man dann "nicht mehr stark genug" diese Selbstunterdrückung fort zu führen und scheitert, wieder einmal, an sich selbst, was einen, auch wieder einmal, von der eigenen Unzulänglichkeit überzeugen wird. Man fällt in "das Loch". Jenes, aus dem es so kraftraubend ist, sich wieder hervor zu arbeiten, was man unter Umständen auch erst einmal nicht versteht.
Unter dem Gesichtspunkt des inneren Kindes jedoch, ist vollkommen klar, warum jeder Fall in das Loch, es etwas schwerer zu machen scheint, einen neuen Anlauf zu nehmen. Mit den Augen des inneren Kindes sieht das Ganze nämlich etwas anders aus, als mit der Vernunft eines Erwachsenen betrachtet. Dieses Kind erlebte in seiner real nicht existierenden, unterdrückten Kindheit, nämlich immer wieder genau das, dass es nämlich mit Verboten und Regeln überhäuft wurde, die all seine Bemühungen dem zu entsprechen, nur mit immer neuen Frustrationen belohnten und der Erfahrung, dass die ersehnte Zuneigung, Zuwendung und Anerkennung, trotz aller Mühen, unerreichbar blieben. Nicht einmal Trost gab es für all diese enttäuschten Hoffnungen, nur immer wieder neue Vorwürfe, Regeln und neuerliche Missachtung der eigenen Natur.
Und schaut man sich jetzt an, was man als Erwachsener mit sich selbst tut, sich nämlich Regeln aufstellen, Verbote auferlegen, um daran dann zu scheitern in Trostlosigkeit und schlussendlich frustriert im nächsten Loch/Tief zu landen, so muss einem aufgehen, dass, setzt man nur eine geringe Lernfähigkeit voraus, die das innere Kind mit Sicherheit hat, man ist ja schließlich kein Vollidiot, so wird deutlich, warum es von Mal zu Mal schwieriger wird. Denn dieses innere Kind sträubt sich immer mehr, diese ewig gleiche Scheiße zu wiederholen. Sich immer wieder gleich schlecht behandeln zu lassen. Früher durch Erziehungsberechtigte und jetzt, was irgendwie sogar noch schlimmer ist, durch das eigene, erwachsene Selbst. So wird man sein eigener Feind und treibt dieses Wesen, das sich im Innen zum Schutz verbarrikadierte, immer weiter hinter seine Mauern, wo es immer unerreichbarer wird.
Dabei ist die Lösung so simpel wie schwierig: Das Kind muss integriert und damit erwachsen werden (dürfen).
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Und wüsste ich, wie ich das bewerkstelligen könnte –und zwar vollständig & nachhaltig- so wäre ich meine Probleme samt und sonders komplett los. Da bin ich mir sicher.
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Damit erinnere ich jetzt zumindest was ich (wieder & weiterhin ver)suchen muss.
Die Aufgabenstellung ist damit klar.
Alte Texte. Immer wieder mal zu etwas gut. Es gibt Hunderte hier auf meiner Platte. Gut so.
Und aus all der Leserei resultiert die Erkenntnis des Tages:
Ich bin nicht süchtig nach dem Putzen (das mag ich nicht einmal sonderlich). Ich bin süchtig nach dem FLOW - denn dieses Gefühl, dieses Selbstvergessene, Reine, Ungefilterte, Ungebremste, es ist der Stoff aus dem die Kindheit ist, die das Kind sucht, das um sie betrogen wurde.
Positiv: Ich weiß wie ich in diesen Flow komme und zwar nicht nur durch das Putzen. Negativ: Ich kann nicht genug bekommen und habe keine effektive "Bremse".
Next Step - ich nahm an einer Online-Studie teil, die sich mit den Möglichkeiten virtueller Therapiekonzepte beschäftigte. Die Schreibmappe dazu, denn es war eine Schreibtherapie zur Eigenreflexion, sie befindet sich noch immer auf meinem Rechner. Ein kleiner Schatz, vollgepackt mit Briefen an mich selbst. Auch diese sollte ich mal wieder lesen, was ich derzeit tue. Und einer davon, den halte ich generell für hilfreich und möchte ihn hier posten, auf dass womöglich noch mehr Leute für sich etwas damit anfangen können.
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Liebe Jane Doe, da sind wir also wieder. Ich kann mir sehr gut vorstellen was Du aktuell mitmachst. Ich habe Jahre, eigentlich Jahrzehnte gebraucht, um das, was so lapidar und harmlos klingend, als Emotionen bezeichnet wird, auch nur halbwegs annehmen zu lernen. Im Zuge dieses Prozesses sind mir zwei Dinge extrem bewusst geworden.
1. Es nützt mir nichts, verharrend in einer Art ausgelieferten Froschperspektive, zu versuchen, das Ganze entweder zu ignorieren, auszusitzen oder sonstwie unbewusst zu überstehen, denn das mündet unweigerlich darin, dass die aufgestaute Energie dieser Emotionen in destruktiver Weise abgebaut wird, so wie es bisher immer geschah, da ich es von klein auf so erlernt habe. Es nützt mir auch nichts, wenn ich damit hadere, mich selbst bestrafe, verachte oder der Umwelt, respektive der verkorksten Vergangenheit, irgendwelche Vorwürfe mache; denn das erzeugt nur immer noch mehr negative Energie, die dann wieder in gleicher verquerer Weise abgebaut werden will und noch mehr vom Gleichen nach sich ziehen wird. Ein klassischer Teufelskreis also. Fazit: Nicht empfehlenswert!
2. Zuviel individuelle Betrachtung wirkt mitunter zeit- und kraftraubend. Sinniger ist es, sich nach einer Weile der intensiven Serlbstbeobachtung etwas zu entwerfen, das ich im stillen Kämmerlein als ‘metaphorische Grundsätzlichkeiten’ bezeichne. Das sind gedankliche Bilder, die, in ihrer plakativen Einfachheit, es mir ermöglichen, auch noch in aufgewühltem Zustand einen gewissen beruhigenden und damit rationalisierenden Effekt auf negativ geladene Gedankenkreise zu erzielen.
Nun magst Du Dich fragen, liebe Jane, was das denn für Bilder sein mögen und wie sie funktionieren? Ich kann Dich beruhigen, Jane, es wird nun kein endloser Sermon erfolgen, was sich, durch Punkt 1 und auch den ersten Absatz von Punkt 2, bereits implizit erklärt. Ist man erst einmal in emotionalen Strumgewässern gefangen, werden einen keine ausgefeilten Strukturen retten, sondern eher ein einfaches Mantra, denn zu mehr ist man meist –zumindest temporär- gar nicht mehr in der Lage.
Meines lautet: “Dies ist eine Welle – auf und ab - atmen – ein und aus.” Das wird jetzt erst einmal befremdlich wirken, aber nach einer kurzen Erklärung, nämlich der des Gedankenbildes welches dahinter steht, sollte es sonnenklar werden. Also, nachdem mir bewusst geworden war, dass ich in destruktiver Weise Emotionenenergie abbaue (s. Punkt I), war darin logisch implizit, dass es sich bei Emotionen um Energien handelt, ergo so etwas Ähnliches wie Strom. Mag sein, in Anlehnung daran entstand die Redensart ‘unter Strom zu stehen’. Wie dem auch sei, brachte es mich doch zu der Erklärung, warum es äußerst unklug ist, bestimmten Emotionen auszuweichen, weil man sie nicht haben mag.
Dabei spielen wieder zwei Dinge eine Rolle. Zum Einen ist es so, dass die Energie (Ladung +/-) ja dennoch vorhanden ist, jedoch nicht ungehindert abfließen kann, da versucht wird sie zu umgehen oder zu unterdrücken. Die andere Überlegung und Komponente ist die, dass andererseits so oft beklagt wird, dass Glücksmomente so schnell vorübergehen. Glück ist aber prinzipiell auch nur eine Energie, eine von grundsätzlich gleicher Qualität wie Wut, Trauer, Zorn, Hilflosigkeit (wobei das Eine ja meist erst aus dem Anderen resultiert). Warum also verschwindet die Eine, die Erwünschte, so unfassbar schnell, während die Andere, die Unerwünschte, quasi wie Scheiße am Schuh klebt und endlos zu verweilen scheint? Die Antwort ist simpel. Sie lautet: Energiesparprogramm versus Hingabe!
Energiesparprogramm ist das Wegdrücken, welches dafür sorgt, dass das negativ Empfundene nicht ungehindert abfließen kann und somit hält die Energie viel länger an, als wenn man sich, wie man es in Glücksmomenten tut, dem Ganzen einfach in die Arme wirft und es fließen lässt. Das wäre in etwa vergleichbar damit, ein sehr stromfressendes Gerät an eine Batterie zu koppeln. Je mehr das Gerät zieht, umso schneller ist der ‘Spaß’ (oder Spuk, je nach dem) vorbei. Es liegt also nahe, das Wellensurfen zu erlernen, nicht nur im Ozean des Glücks, sondern auch in den Sturmgewässern des Zorns, der Sehnsucht oder der Traurigkeit. Dazu ist es meiner Erfahrung nach sehr, sehr wichtig, sich immer wieder klar zu machen, dass eine Emotionenwelle so gut oder schlecht ist wie die Andere. Sie alle gehören zum gleichen Gewässer und zu seinen mannigfaltigen Gesichtern. Sie alle machen das Gesamte aus und würde auch nur eine fehlen, würde das gesamte Gleiuchgewicht des Innenweltozeans ins Wanken geraten, würde das innere, emotionale Ökosystem kippen und die Schönheit und Erhabenheit, die starke Beweglichkeit, würde dem brackigen, erstarrten Sterben weichen müssen.
Die Wellen sind Deine Freunde, Jane, nicht Deine Feinde – keine von Ihnen. Sie sind dazu da um Dich zu tragen durch Dein Leben, über den Ozean Deiner inneren Welt und Deines inneren Erlebens. Sie sind das Resultat Deiner Lebendigkeit. Vehikel und Begleiter Deiner Träume, Wünsche und Hoffnungen. Und je mehr Du surfen lernst, Jane, je mehr Kontrolle und Virtuosität Du auf Deinem Surfbrett findest, was dadurch geschieht, dass Du lernst an Dich zu glauben und gut für Dich zu sorgen, je spielerischer und freundschaftlicher werden Dir die Wellen erscheinen; und umso nützlicher und unentbehlicher.
Und Du wirst lernen (und unmittelbar erfahren/erleben), Jane, wie die Glückswellen länger werden, wenn Du sie sanfter angehst – und die Wellen des Zorns oder der Trauer, sie werden kürzer, wenn Du kraftvoll hineingehst und sie einfach reitest, als das was sie sind, nur Zeugen Deiner Lebendigkeit. Begrüße sie und frage Dich was Du nun mit ihnen tun könntest – und dann mach das.
Und das Wichtigste – hab keine Angst vor der Angst. Sie ist ein guter Freund und Wachhund. Aber vergiss nicht mit ihr zu reden und sie immer wieder zu hinterfragen.
Liebe Grüße Ich
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Ich sollte mir wohl wieder einmal Briefe schreiben. Damals hat das gut funktioniert.
Oh Mann, da habe ich gestern etwas gemacht, das ich ewig nicht getan habe. Ich habe mich tatsächlich noch bis tief in die Nacht hingesetzt und habe mir DIY-Videos auf YouTube angeschaut. HACH! So viele tolle Ideen. Zusätzlich manifestiert sich bei mir die Gewissheit, dass ich Altlasten in zwei Bereiche zerlegen kann. Zuerst ist da der Bereich des Ordnens, Umräumens, Einräumens, Aussortierens, ggf. Reparierens oder überhaupt erst einmal Aufstellens/Installierens/Aufhängens usw.. Das ist der Bereich, der belohnt werden will, weil er mir schwer fällt, respektive die Überwindung (um anzufangen) mich viel Energie kostet.
Durch diesen Schritt gewinne ich jedoch Energie zurück und zwar jede Menge, WENN ich es denn getan habe. Denn dann freue ich mich wie Bolle und bin extrem erleichtert. Und das führt mich schnurstracks zum zweiten Teil, der nämlich bereits seine Belohnung impliziert, weil er sich selbst wie eine solche anfühlt -> das liebevolle Dekorieren, Umgestalten, Aufpeppen und - tadaaa, anschließende, gründliche Putzen. Da feiert mein Perfektionismusgen dann wahre Orgien.
Als ist das realisiert habe, bin ich nun gesten auf die Suche nach Ideen für die Gestaltung meiner Speis gegangen. Man darf mich nun gerne für total behämmert halten, dass ich, wenn ich meine Abstellkammer endlich komplett entrümpelt und geordnet haben werde, beabsichtige, diese in ein dekotechnisches/gestalterisches Kleinod zu verwandeln und die Regale, Obst- und Vorratskisten im Shabby-Style zu gestalten, aber die Überlegung dahinter ist folgende: Erstens liebe ich es so etwas zu tun, also zu gestalten, was mir nun noch einmal zusätzlich Motivation gibt, das Ganze nun endlich zügig zum Abschluss zu bringen. Und zweitens renne ich täglich mindestens 20-30 mal in die Speis, weil dort nicht nur sämtliche Vorräte lagern (sollen), sondern auch der Staubsauger dort steht, weiteres Putzutensil und der Behälter mit dem gelben Sack sowie für Blech & Glas (Müll). Und bisher ärgere ich mich jedes göttliche Mal, betrete ich diese Speis, was mich immer Energie kostet.
Ich weiß aber, wie sich mein (zwar noch immer provisorisch, da nicht fertig saniert) Bad für mich anfühlt, bei dem ich mich jedes Mal wenn ich betrete freue, dass es trotzdem bereits so hübsch ausschaut, auch wenn irgendwann nochmal viel zu tun sein wird und eine Wand noch komplette Baustelle ist, die nur abgehangen wurde von mir. Dennoch schenkt mir dieses Bad Energie, weil es mir vor Augen führt, was ich erschaffen kann, selbst wenn es (noch) nicht perfekt ist. Und dass dieses Unfertige, nicht Perfekte, dennoch zum Wohlfühlen ausreicht. Das macht mir Mut und gibt mir Zuversicht. Und so wird dieses unfertige, aber hübsch gestaltete Bad zu einer Kraftquelle für mich.
Und jetzt, wo ich entschlüsselt habe woran das liegt, gedenke ich das auf alle Räume auszuweiten. Allen voran die Speis.
Und damit ich auch was schaffe und nicht nur hier herumfabuliere, werde ich auch gleich den Rechner wieder runterfahren und mich um das aktuell Anliegende kümmern, was zum Glück nicht viel ist, denn wir wollen am WE ja auch mal ordentlich chillen.
Dankeschön Rieke! Mir schwirrt der Kopf bereits voller Ideen, aber bei dem schönen Wetter hat (noch) der Garten vorrang. Doch Montag/Dienstag soll es wieder schlechter werden und für diese beiden Tage steht (und lockt) das Projekt.
Ich denke mittlerweile, dass der "Sieg über Altlasten" noch einen weiteren, langfristigen und weiterreichenden Effekt hat. Einen, der bereits nach dem Sieg über 1-2 Altlasten einzutreten beginnt, selbst wenn noch (so wie bei mir) gefühlte 1000 weitere warten. Dieser Effekt ist es, der es mir (zum ersten Mal seit sehr langer Zeit) ermöglicht, ohne schlechtes Gewissen ein relaxtes Verwöhnprogramm zu fahren, das Balsam und Labsal für meine überbeanspruchten Akkus ist. Es ist das Gefühl der Hoffnung und der Zuversicht. Eine Art Licht am Ende des Tunnels. Ein kleiner, erster Beweis, den man sich selbst lieferte, dass man, auch wenn einem zeitweilig alles so erscheint als wäre es einem vollständig entglitten, man dennoch der Meister seines eigenen Lebens ist. Und zwar exakt ab dem Moment (wieder), wenn man sich dazu entschließt und die entsprechenden Entscheidungen trifft.
In meinem Falle war das die Entscheidung, was vorrangig zu tun ist und was ich lassen will. Auch wenn das bedeutet, dass ich es ertragen muss, dass meine Fußböden mal nicht wie geleckt sind. Witzigerweise sind sie dennoch in einem absolut passablem Zustand und wem es nicht gefällt, der kann gerne einen Lappen von mir bekommen und sich ausleben. Es ist erleichternd und befreiend. Ich beginne mich wieder (meines Lebens) mächtig zu fühlen, anstatt ohnmächtig. Und daraus resultierend kann ich mir eine Art Wochenendurlaub gestatten, der mir Kraft gibt um weiter zu machen in der kommenden Woche. Der Drill Instructor ist auch auf Urlaub. Vielleicht schicke ich ihn bald endgültig in Rente.
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Ich kann nur jedem Mitleser dringend empfehlen, sich diesen Text absolut zu Herzen zu nehmen und der Autorin zu vertrauen. Es stimmt, die Altlasten sind wie eine Betonplatte, die auf einem lastet. Selbst wenn man nur eine oder zwei davon erledigt, bringt einen das mehr voran als jede Putzaktion!
Heute in der Früh schleppte ich eine Gießkanne von ungefähr 12 Litern und zwar ziemlich genau 20 mal. Vom Brunnen neben unserem Haus in den Vorgarten, wo ich die Kanne leerte. Danach drehte ich eine Runde mit dem Rasentrimmer, wischte den Boden und war guter Dinge. Trotz extremer (Fibromyalgie-)Schmerzen. Wer Genaueres dazu erfahren möchte, der registriere sich bitte (es lohnt sich in jedem Falle) und lese dann: diesen Eintrag in meinem privaten Tagebuch.
Dabei geholfen hat mir auch ein Mantra, das ich die ganze Zeit mehr unbewusst als gezielt aufsagte und das ich gerne öffentlich teilen möchte:
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Ich will ein schönes und erfülltes Leben. Ich will umgeben sein von schönen Dingen. Ich lasse mich nicht unterkriegen. Ich mache einfach weiter - immer weiter .... und weiter....
Ich will ein schönes und erfülltes Leben. Ich will umgeben sein von schönen Dingen. Ich lasse mich nicht unterkriegen. Ich mache einfach weiter - immer weiter .... und weiter....
usw.
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Das hat mich die Schmerzen aushalten lassen, denn es erinnert mich daran WOFÜR ich es tue.